Bundesregierung muss deutlich mehr zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher tun

11.11.2009
Caren Lay, DIE LINKE: Stärkung der Verbraucherrechte

Frau Präsidentin!
Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Es hätte wahrlich genügend Anlässe gegeben, die Verbraucherpolitik aufzuwerten: sinkendes Verbrauchervertrauen in der Finanz- und Wirtschaftskrise, Abzocke und aggressive Geschäftspraktiken im Internet, der Handel mit Adressen, Globalisierung und neue, intransparente Märkte sowie steigende Energiepreise, um nur einiges zu nennen.
Hinter diesen Anforderungen bleibt die im Koalitionsvertrag skizzierte schwarz-gelbe Verbraucherpolitik um Lichtjahre zurück.

Es beginnt mit einem unzureichenden, falschen Ressortzuschnitt. Ministerin Aigner ist es nicht gelungen, sich neue Kompetenzen an Land zu ziehen. Noch immer gibt es verbraucherpolitische Kompetenzen, die in anderen Ressorts angesiedelt sind, statt dass sie in einem, wirkungsmächtigen Verbraucherministerium gebündelt werden. Das wird der Querschnittsaufgabe Verbraucherpolitik nicht gerecht.

Auch vom Koalitionsvertrag – das ist schon mehrfach erwähnt worden – haben Verbraucherinnen und Verbraucher wenig zu erwarten. Vage Andeutungen und halbherzige Vorhaben – darüber geht er im Wesentlichen nicht hinaus.
Mit dem Mantra vom mündigen Verbraucher wälzt die Bundesregierung ihre verbraucherpolitische Verantwortung auf Bürgerinnen und Bürger ab.
Selbst das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hält dieses Leitbild inzwischen für veraltet. Verunsicherung und Überforderung der Verbraucherinnen und Verbraucher sind an der Tagesordnung. Deshalb brauchen wir in der Tat an einigen Stellen ein Mehr an staatlicher Regulierung, und auch der Wissenschaftliche Beirat des BMELV teilt inzwischen diese Position.
Ich will Ihnen ganz deutlich sagen: Das wollen wir nicht, weil wir Verbraucherinnen und Verbraucher bevormunden wollen, sondern weil wir den Glauben an die Selbstregulierung der Märkte schlichtweg für naiv halten.

Sie, Herr Kollege von der FDP, haben – das freut mich – Offenheit gegenüber guten Vorschlägen signalisiert. Wir als Linke haben welche zu bieten. Für uns hat die Stärkung der Verbraucherrechte oberste Priorität.


Das VIG ist eine lahme Ente – das ist mehrfach erwähnt worden – und hat den Praxistest nicht bestanden. Es muss endlich auf alle Produkte und Dienstleistungen ausgeweitet werden. Auskunftsansprüche müssen sich auch auf Unternehmen beziehen, und Auskünfte müssen für die Verbraucher vor allen Dingen kostenlos sein.

Wir brauchen auch eine stabile Finanzierung der Verbraucherzentralen und einen Ausbau ihrer Beratungstätigkeit. Der vzbv hat ausgerechnet: Mit der bisherigen Beratungsstruktur würde es 30 Jahre dauern, bis jeder Haushalt wenigstens einmal beraten werden könnte. Hier verspricht der Koalitionsvertrag, Konzepte zu entwickeln. Das verspricht man schon seit vielen Jahren. Wir wollen diese Konzepte endlich sehen; denn sonst kommt die Hilfe für die Betroffenen zu spät.

Eine Lehre aus der Krise – das dürfte Konsens sein – ist ein besserer Anlegerschutz. Leider sind auch hier die Pläne lückenhaft. Was fehlt, ist die Beweislastumkehr beim Schadensersatz und vor allen Dingen auch der Schutz der Kreditnehmer. Er fehlt fast gänzlich im Koalitionsvertrag.
Es ist endlich an der Zeit, Verbraucherpolitik auch aus der Perspektive der unteren Einkommensschichten zu betreiben.

Andere Dinge fehlen gänzlich: Das Marktwächtersystem und die Ampelkennzeichnung werden nicht kommen, obwohl wir diese wie auch die Smiley-Kennzeichnung im Gastronomiebereich brauchen würden.
Wir brauchen eine bundesweit koordinierte Lebensmittelkontrolle, und es wäre auch schön gewesen, wenn der digitale Verbraucherschutz überhaupt erst einmal als Themenfeld benannt worden wäre.

Es ist dringend an der Zeit, das Ungleichgewicht am Markt zu beseitigen und Verbraucherinnen und Verbraucher mit den Unternehmen auf gleiche Augenhöhe zu
bringen. Dafür wäre es notwendig gewesen, sich auch an der einen oder anderen Stelle couragiert mit Unternehmen anzulegen. Diesen Mut hat die Koalition leider nicht aufgebracht.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

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Die Wohnungsfrage ist die soziale Frage unserer Zeit. Doch statt sie anzugehen, werden Fehlentwicklungen systematisch politisch gefördert. Wohnungen sind zu reinen Spekulationsobjekten verkommen. Hohe Nachfrage und sogenannte Zwangssanierungen lassen die Mieten explodieren und zwar nicht nur in den Großstädten, sondern auch im Umland. Menschen werden aus jahrzentelang gewachsenen, sozialen Strukturen gerissen, gentrifzierte Viertel zu Soziotopen der Besserverdienenden. Wie konnte es soweit kommen? Warum unternimmt die Politik so wenig, um Mietenwahnsinn und Spekulation endlich zu stoppen? Und was muss getan werden, damit Wohnen endlich wieder bezahlbar wird? Caren Lay nimmt die deutsche Wohnungspolitik der letzten 20 Jahre schonungslos unter die Lupe, zeigt auf, wie und warum Deutschland zum Eldorado für Wohnungsspekulation werde konnte, und liefert provokante Ideen für eine soziale Wohnungspolitik, die wir so dringend brauchen.

Erschienen bei Westend / 160 Seiten Leseprobe

Über mich
Ich bin Bundestagsabgeordnete und Sprecherin für Mieten-, Bau- und Wohnungspolitik sowie für Clubpolitik.