Marschieren für das Abendland? Pegida und die Folgen
Zu diesem Thema diskutierten am Abend des 22. April die Bundestagsabgeordnete Caren Lay und der Sozialwissenschaftler Dr. Simon Teune vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung mit über 30 Gästen im Bürgerbüro Hoyerswerda.
Grundlage der Diskussion waren Ergebnisse einer Studie des Instituts für Protest und Bewegungsforschung, dessen Koordinator Dr. Simon Teune ist. Die Studie sollte zeigen, wofür die Pegida-Bewegung steht und wer an den Protesten teilnimmt. Dafür waren am 12. Januar 58 ForscherInnen und Studierende aus Berlin und Chemnitz nach Dresden gereist um während eines sogenannten „Spaziergangs“ mehr über die Proteste der „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida) herauszufinden. Der Wissenschaftler Teune betonte eingangs, dass die Untersuchung unter schwierigen Bedingungen stattfand und nur bedingt repräsentativ ist. So wurden ForscherInnen beim Verteilen der Fragbögen angefeindet und nur wenige Fragebögen kamen überhaupt ausgefüllt zurück. Trotzdem ließe sich so zumindest ein Teil der Bewegung analysieren, so Teune.
So ist mit ca. 80% ist der Anteil der Männer bei den Protesten sehr dominant, meist handelt es sich dabei um Angestellte und Arbeiter mit einem relativ hohen formalen Bildungsniveau. Sie ordnen sich selbst vorwiegend in der politischen Mitte, aber auch rechts davon ein. Zur letzten Landtagswahl haben knapp die Hälfte von ihnen die Alternative für Deutschland (AfD) gewählt und wenn am nächsten Sonntag wieder eine Wahl wäre, würden 89% der Befragten die rechtspopulistische Partei wählen.
Charakteristisch ist auch das geringe Vertrauen in Institutionen, sei es die Bundesregierung, Banken und Großkonzerne, oder die Medien. Durch eine sehr hohe Zustimmung zu chauvinistischen und ausländerfeindlichen Aussagen, grenzt sich die Bewegung aber deutlich von der Mehrheit der Bevölkerung ab, insbesondere bei der Islamfeindlichkeit und der Abwertung von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern gibt es große Schnittmengen mit rechtspopulistischen und rechtsextremen Positionen. Im Kern sind es also keine „Normalbürger", sondern „zornige Männer“, die gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und Rassismus artikulieren.
Die Fragen nach den Ursachen der Proteste waren im Rahmen der Veranstaltung nicht endgültig zu klären, sind sie doch facettenreich und teilweise schon tief in der Gesellschaft verankert. „Rassistische Islamkritik, Asylfeindlichkeit und ein scharfes Misstrauen in Politik und Medien gibt es nicht erst seit Pegida“, betonte der Berliner Wissenschaftler Teune. „Die Proteste sind aber zu einem Katalysator für rechtsextreme und rechtspopulistische Meinungen und Einstellungen geworden.“
Dass Menschen sich auch aus persönlichen Gründen motiviert sind an den Pegida-Protesten teilzunehmen, wurde bei der anschließenden Diskussion durch die Wortmeldung eines Gastes deutlich. Er nehme an den Demonstrationen des örtlichen Pegida-Ablegers Hoygida teil, weil ihm auch nach langem Kampf weder die juristischen, noch politischen Instanzen zu seiner rechtmäßigen Rente verhelfen konnten. Ihm entgegnete Caren Lay, dass fremdenfeindliche Demonstrationen ein denkbar schlechter Adressat für soziale Forderungen wären und es den Demonstranten auch sicher nicht um soziale Gerechtigkeit gehen würde. Der Protestforscher Teune unterlegte diese Haltung: „Pegida wird nicht ihre persönlichen Probleme lösen, im Gegenteil, sie unterstützen mit Ihrer Teilnahme das Schüren von Hass auf Fremde und Minderheiten.“ Dass der bekennende Hoygida-Spaziergänger mit rechten Demonstrationsteilnehmern nichts zu tun habe, ließ Teune dem Mann nicht durchgehen: „Man kann nicht an einer Demonstration teilnehmen und sich gleichzeitig von dem, was dort gerufen wird distanzieren.“
Die kurze Diskussion zeigt beispielhaft, dass die Pegida-Proteste im Winter 2014/15 auch der hässliche Spiegel einer unsozialen und unsolidarischen, neoliberalen Politik waren, welche die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander gehen lässt und dabei die Schwächeren unserer Gesellschaft noch gegeneinander ausspielt. Das zeigt uns: der Kampf für mehr soziale Gerechtigkeit und der Kampf für eine weltoffene Gesellschaft ohne Rassismus gehören zusammen.
Tino Wehner