Regierung muss mehr Geld für Verbraucher ausgeben
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Herr Maas, bei Ihrem Amtsantritt als neuer Justiz- und Verbraucherminister wollten Sie noch eine ganze Menge bewegen. Ihre erste Rede hier hatte auch mir gut gefallen. Sie versprachen mehr Rechte für Frauen, für Lesben und Schwule, für die Schwachen in der Gesellschaft und den Schutz der persönlichen Daten. „Prima“, habe ich gedacht. Das klingt fast nach einem linken Regierungsprogramm.
Heute will ich einmal fragen: Was ist daraus geworden? Die CDU/CSU kann sich beruhigt zurücklehnen. Die Halbzeitbilanz der Koalition sieht nämlich leider ernüchternd aus.
Was wurde denn alles versprochen? Beispielsweise wurde versprochen, die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare einzuführen. Daraus ist leider nichts geworden. Doch spätestens seit dem erfolgreichen Volksentscheid im konservativen Irland wäre es höchste Zeit, auch in Deutschland die Ehe für alle endlich einzuführen.
Sie haben versprochen, den Anteil von Frauen in den Führungsgremien von Wirtschaft und Verwaltung wesentlich - ich betone: wesentlich - zu erhöhen. Herausgekommen ist ein klitzekleines Frauenquötchen. Davon profitieren - ich betone: bundesweit - ganze 200 Frauen in Aufsichtsräten. Ja, wie viele Frauen sitzen denn schon in Aufsichtsräten? Hinzu kamen noch Verschlechterungen im öffentlichen Dienst. Ich sage: Eine wirkungsvolle Gleichstellungspolitik sieht wirklich anders aus.
Sie versprachen - vom Frauenquötchen zum Mietpreisbremschen -, eine „wirksame Mietpreisbremse“ einzuführen. Da wurde zunächst lange herumgedoktert. Am Ende wurde ein Gesetzentwurf beschlossen, mit dem schon bei der Beschlussfassung viel zu viele Zugeständnisse an die Vermieterlobby gemacht wurden. Jetzt bewahrheiten sich - leider, muss ich sagen - die Befürchtungen der Opposition, dass diese Mietpreisbremse am Ende fast nirgendwo wirken wird, weil die Grundlage, nämlich ein ordentlicher Mietspiegel, fast nirgendwo vorhanden ist. Eine Mietpreisbremse, die wirkt, habe ich mir wirklich anders vorgestellt.
Das stärkste Stück stellte aber Ihr Versprechen dar, dass es eine Speicherung von Daten ohne konkreten Verdacht nicht geben wird. Das hat natürlich gerade bei der Opposition große Erwartungen geweckt. Allerdings haben Sie wenige Monate später einen Gesetzentwurf zur sogenannten Vorratsdatenspeicherung vorgelegt. Dazu wurden Sie zwar gezwungen durch Ihren Parteichef. Ich frage mich aber: Warum mussten Sie diesen Unsinn am Ende auch noch verteidigen?
Sie wollten die Schwachen im Recht stärken. Nehmen wir beispielsweise die anhaltende Abzocke von schwachen Verbraucherinnen und Verbrauchern bei den Dispozinsen durch die Banken. Da sollen wir jetzt im Grunde eine Art Ausweisungspflicht auf den Homepages der Banken beschließen statt einer gesetzlichen Deckelung. So wird das wirklich nichts.
Auch haben Sie mehr Rechte für Verbraucherinnen und Verbraucher versprochen, die diese tatsächlich durchsetzen können. Rechtsdurchsetzung, das wäre wirklich gut gewesen. Nehmen wir beispielsweise den VW-Skandal. Die geschädigten Autokäufer müssen jetzt selber sehen, wo sie bleiben, das heißt, individuell den Rechtsweg beschreiten. Hätten wir die Möglichkeit von Gruppenklagen, könnten die Verbraucherverbände für alle Betroffenen klagen. Sie aber haben bis heute nichts vorgelegt. Im Gegenteil, die Koalition hat einen Gesetzentwurf der Grünenfraktion abgelehnt. Das stärkste Stück aber ist, das die Koalition mit den Stimmen von der Union und der SPD jetzt schon zum fünften Mal hintereinander abgelehnt hat, im Verbraucherausschuss überhaupt über dieses Thema zu sprechen. Meine Damen und Herren, dafür fehlt mir wirklich jedes Verständnis.
Apropos VW: Es gibt schon Themen, bei denen ich mich manchmal frage, ob wir überhaupt noch einen Verbraucherminister haben. Im Fall VW hat es lange gedauert, bis von ihm etwas zu hören war. Dann kamen vorsichtige Appelle in Richtung Konzernleitung. Ansonsten war in der Debatte von Ihnen wenig zu hören. Ich finde, angesichts von 2,5 Millionen geschädigten Autokäufern ist das keine überzeugende Leistung.
Sie schweigen meistens auch zu TTIP und CETA, also den geplanten Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den USA bzw. Kanada, und verstecken sich hinter dem breiten Kreuz des Wirtschaftsministers Sigmar Gabriel. Dabei hätten die Verbraucherinnen und Verbraucher - die, wie ich finde, zu Recht fürchten, dass sie jetzt noch mehr von Konzernen über den Tisch gezogen werden - an dieser Stelle wirklich einen starken Verbraucherminister verdient.
Das gilt auch für den Haushalt. Das Geld, welches die Bundesregierung für die Verbraucherarbeit ausgibt, ist, gemessen an anderen Haushalten und gemessen auch am Gesamtvolumen des Bundeshaushalts, wirklich sehr gering. Es handelt sich um 36 Millionen Euro. Ich nenne einmal einen Vergleichsmaßstab: Allein für die „Erschließung von Auslandsmarken“, also für die von Steuergeldern finanzierte bezahlte Werbung für Firmen im Ausland, gibt die Bundesregierung dreimal so viel Geld aus. Ich finde, das steht wirklich in keinem Verhältnis zum Schutz von 80 Millionen Verbraucherinnen und Verbrauchern in diesem Land.
Die Verbraucherpolitik fristet auch bei dieser Bundesregierung unterm Strich leider immer noch ein Schattendasein. Es wird wenig überraschen, dass wir als Linke mehr Geld für die Verbraucherpolitik gefordert haben. Sie werden natürlich, wie immer, fragen: Woher soll das Geld denn kommen? Da greife ich doch gerne eine Forderung der ehemaligen Verbraucherministerin Ilse Aigner von der CSU auf. Sie hatte nämlich einmal den klugen Vorschlag gemacht, man solle doch die Einnahmen aus Kartellstrafen für die Verbraucherarbeit zur Verfügung stellen. Kartellstrafen müssen Unternehmen zahlen, wenn ihnen zum Beispiel illegale Preisabsprachen zulasten von Verbraucherinnen und Verbrauchern nachgewiesen werden. Mir ist es wirklich unverständlich, dass das Geld, was hier eingenommen wird - eine halbe Milliarde Euro , komplett in den Wirtschaftshaushalt fließt anstatt wenigstens teilweise in den Verbraucherhaushalt, damit wir hier nicht jedes Jahr wieder um eine Million mehr oder weniger streiten müssen. Damit hätten wir eine ausreichende Finanzierung der Verbraucherarbeit.
Wenn wir nur 20 Prozent dieses Geldes umschichten würden, dann hätten wir 100 Millionen Euro mehr für die Verbraucherarbeit. Das wäre eine Verdreifachung dieses Haushaltspostens, und das würde den Verbraucherinnen und Verbrauchern gefallen.
Ich komme zu meinem letzten Punkt. Wir stecken immer noch in den Nachwehen der Finanzmarktkrise. Deswegen fordern wir eine gute Anschubfinanzierung für die bundesweite Finanz- und Schuldnerberatung und einen Finanz-TÜV. Damit wäre das Geld für die Verbraucherinnen und Verbraucher gut angelegt.
Meine Damen und Herren, die Halbzeitbilanz der Koalition im Bereich der Verbraucherpolitik ist ernüchternd. Ich weiß, Herr Maas: Sie haben einen schwierigen Koalitionspartner. Sie haben einen Parteivorsitzenden, der sich gerne als Genosse der Bosse profiliert und ihnen reingrätscht. So ist es zu erklären, dass Sie lieber twittern, als gute Gesetzentwürfe vorzulegen. Aber die Verbraucherinnen und Verbraucher haben am Ende des Tages leider wenig davon.