Im Kampf zwischen Wunsch und Realität
In einer idealen Welt hätte die Stadt Hoyerswerda eine gut ausgebaute Zuganbindung nach Dresden im S-Bahn-Takt, eine Zuganbindung nach Bautzen und Görlitz, einen gut ausgebauten öffentlichen Personennahverkehr, alle kulturellen Einrichtungen wären langfristig gesichert und vielleicht gäbe es sogar eine Autobahnanbindung. Dann würde Hoyerswerda zum erweiterten Speckgürtel von Dresden zählen und Menschen, die in Dresden arbeiten, aber die ländliche Region schätzen oder schlicht mehr Wohnraum für günstigere Mieten nutzen wollen, würden nach Hoyerswerda ziehen.
In der realen Welt ist man von der Autobahn mindestens 30 Minuten Autofahrstrecke entfernt, der Zug nach Dresden fährt nicht mal ganz stündlich, nach Bautzen gibt es nur eine Busverbindung, mit der man länger unterwegs ist als mit dem Zug nach Dresden und die Zugverbindung nach Görlitz wird demnächst wohl auch eingestellt. Und so verliert Hoyerswerda weiter kräftig Einwohner, die meisten mittlerweile auf biologischem Weg, also qua Tod. Je nach Schätzung werden es zwischen 3000-8000 Einwohner sein, die bis 2020 noch im Negativsaldo auftauchen.
Nun leben in Hoyerswerda alle Akteure auf dem Wohnungsmarkt in der realen Welt, das zeigte auch die Diskussionsrunde zur Polit-Matinee mit Caren Lay im März, deren Thema die Stadtentwicklung war. Und auch wenn man sich über die Konsequenzen aus dieser Tatsache nicht ganz einig ist, zeigte das Gespräch vor allem eines: eine gemeinsame Einsicht in eine gemeinsam erkannte Problemlage. Zu Gast war Axel Fietzek, Vorsitzender des zweitgrößten Vermieters der Stadt, der LebensRaum Wohnungsgenossenschaft. In der aktuell zentralen Auseinandersetzung darum, wer in den nächsten Jahren noch wie viele Wohnungen auf welchem Weg vom Markt nehmen muss, hat seine Wohnungsgenossenschaft aktuell eine komfortable Situation: der Leerstand ist gering. Denn der konzentriert sich bei der Wohnungsgesellschaft als kommunalem Wohnungsunternehmen. Beide sollen aber die Stadtentwicklung mit gestalten und sind auch gewillt dazu – die Frage nach dem Wie und Wann ist aber offen.
Darüber wird leider übersehen, dass sich in der aktuellen Situation eine unerwartete Chance bietet: Aktuell sind 700 Flüchtlinge in Hoyerswerda untergebracht, doch nur 37 von ihnen leben in einer dezentralen Wohnung. Das liegt auch daran, dass die Wohnungsgesellschaft Flüchtlingen ohne anerkannten Asyltitel gar keine Wohnungen zur Verfügung stellen will, obwohl Leerstand vorhanden ist und Geld kostet. Das Unverständnis über diese Entscheidung wurde in der Runde nicht nur durch Caren Lay deutlich ausgedrückt. Chancen sollte man nutzen – gerade in der realen Welt.