Streckenstilllegungen im Osten verhindern
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
In vielen ostdeutschen Ländern sind die Menschen beunruhigt. Sie fürchten die Stilllegung, die Abbestellung ihrer Bahnstrecken oder zumindest die Ausdünnung des Bahnverkehrs; denn angesichts zu wenig in Aussicht gestellter Fördergelder, insbesondere für die ostdeutschen Länder, warnt zum Beispiel der Verkehrsverbund Oberlausitz-Niederschlesien vor einem Streckenkahlschlag in Sachsen. Allein dort sind fünf wichtige Strecken von der Stilllegung bedroht: von Döbeln nach Meißen, von Pirna nach Sebnitz, von Chemnitz nach Elsterwerda usw. usf. Auch in anderen ostdeutschen Ländern gibt es diese Befürchtung. In Mecklenburg-Vorpommern beispielsweise ist die Strecke von Güstrow nach Pasewalk zwischen Malchow und Waren im Gespräch.
An mancher Stelle wird es dann regelrecht absurd. Die Strecke von Cottbus über Hoyerswerda nach Görlitz - Experten als Niederschlesische Magistrale bekannt - soll laut Bundesverkehrswegeplan nach allen Regeln der Kunst ausgebaut werden, und zwar zweigleisig, elektrifiziert und mit komplettem Lärmschutz, aber nur für den Güterverkehr. Dem Personenverkehr auf der gleichen Strecke droht das Aus. Da fassen sich die Leute in meinem Wahlkreis an den Kopf, und das zu Recht.
Selbst in den ostdeutschen Metropolregionen sind Strecken nicht mehr sicher. In Dresden beispielsweise wird befürchtet, dass der langjährig geplante 15-Minuten-Takt für die S-Bahn in Gefahr ist. Das ist unsinnig und inakzeptabel. Eine weitere Ausdünnung des Schienennetzes darf es nicht geben.
Ein gutes Schienennetz ist nicht nur wichtig für die Fahrgäste und für die Umwelt, sondern auch für die gesamte Region. Wenn eine Strecke nicht mehr befahren wird, wissen die Leute nicht mehr, wie sie zur Arbeit, zum Einkaufen oder zu den Ämtern kommen. Aber auch viele, die die Bahn nicht regelmäßig nutzen, sind sehr erzürnt über diese Pläne; denn sie haben das Gefühl: Wenn die Bahn nicht mehr fährt, dann wird meine Region komplett abgehängt. Das ist die Befürchtung vieler Menschen. Leider haben sie recht. Deswegen sagen wir als Linke ganz klar: Das Schienennetz gehört zur öffentlichen Infrastruktur und zur sozialen Daseinsfürsorge. Strukturschwache Regionen dürfen nicht noch weiter abgehängt werden.
Am Ende ist es doch ein Teufelskreis: Weniger Bahnstrecken machen eine Region noch weniger attraktiv. Das Bahnfahren wird weniger attraktiv. Mehr Menschen steigen auf das Auto um. Am Ende gibt es dann weniger Fahrgäste, und das wird dann wieder als Argument genommen, um eine Strecke auszudünnen oder stillzulegen. Diesen absurden Teufelskreis müssen wir endlich durchbrechen.
Der Grund für alle diese Befürchtungen ist die Vereinbarung zur Neuverteilung der sogenannten Regionalisierungsmittel, durch die der Bund den Nahverkehr auf den Schienen mitfinanziert. Pikant und interessant sind die Umstände dieser Vereinbarung. Verhandelt wurde sie nämlich außerhalb der Tagesordnung am Rande des sogenannten Flüchtlingsgipfels im September. Die Länder brauchten dringend finanzielle Hilfen. Da überrumpelte die Bundesregierung die Landesvertreter und machte mit wenigen Ministerpräsidenten im Hinterzimmer noch ein paar Nebenabsprachen. Insgesamt sollten die Länder dann nicht die 8,5 Milliarden Euro bekommen, die sie gefordert hatten, sondern nur 8 Milliarden Euro, und - das ist das Entscheidende - es soll eine Neuverteilung der Gelder geben, die am Ende zulasten der ostdeutschen Länder geht, also zulasten der Länder, die die geringste Finanzkraft haben. Das kann nun wirklich nicht sein.
Der Bund überrumpelt die Länder. Jetzt sagt er: Die Länder sollen sich untereinander einigen. Wir finden, dass wir nicht zulassen dürfen, dass hier die Länder mit all ihren berechtigten Interessen gegeneinander ausgespielt werden.
Ich bin übrigens froh, dass ein Bundesland diesem gesamten Paket, weder dem Asylpaket noch den damit verbundenen Finanzfragen, nicht zugestimmt hat. Das war Thüringen mit Bodo Ramelow. Es macht wirklich einen Unterschied, wenn die Linke regiert.Ihre Ministerpräsidenten, auch die aus den ostdeutschen Ländern, haben zugestimmt. Sie haben heute nicht nur die Möglichkeit, sondern auch die Verantwortung, diesen Fehler Ihrer Parteifreunde an dieser Stelle zu korrigieren. Der Fehler ist korrigierbar. Ich finde, das müssen wir heute tun.
Mehr Geld für die Schiene, ja, das ist teuer. Wir reden hier über 500 Millionen Euro mehr. Ich finde, an diesem Geld kann und darf es am Ende nicht scheitern. Wir haben erhebliche Steuermehreinnahmen. An dieser Stelle wären die Gelder gut und sinnvoll eingesetzt.
Meine Fraktion hat dies übrigens schon in den Haushaltsverhandlungen gefordert. Damals ist es an Ihrer Zustimmung gescheitert. Hätten Sie damals dem Antrag der Linken zugestimmt, dann hätten Sie dafür gesorgt, dass jetzt nicht so viele Menschen und Verkehrsverbünde beunruhigt sind. Sie hätten sich auch jede Menge Ärger erspart. Das war wirklich ein großer Fehler Ihrerseits.
Meine Damen und Herren, zu guter Letzt: Wenn wir den Weg, den wir heute vorschlagen, nicht gehen - es wäre allerdings am einfachsten und elegantesten, die Mittel so zu erhöhen, dass die ostdeutschen Länder nicht weniger bekommen, aber beispielsweise Nordrhein-Westfalen und andere westdeutsche Länder den geplanten Ausbau finanzieren können -, dann müssten wir uns darauf einigen - das wäre die zweitbeste Lösung -, dass die Länder zumindest nicht weniger bekommen als bisher. Das würde dann aber tatsächlich bedeuten, dass es beispielsweise mit dem in NRW geplanten Ausbau von Strecken nicht so schnell wie geplant vorangehen kann. Das wäre sehr schade. Insofern erhoffe ich mir heute nicht nur von den ostdeutschen Abgeordneten, sondern auch von den westdeutschen Abgeordneten Zustimmung zu unserem Antrag.
Wir müssen alles daransetzen, dass keine weiteren Strecken stillgelegt oder ausgedünnt werden, nicht in Ostdeutschland und nicht in anderen Ländern und strukturschwachen Regionen. Bitte stimmen Sie für unseren Antrag.