Mehr Geld für Mieterinnen und Mieter bereitstellen

09.09.2016
Caren Lay, DIE LINKE: Mehr Geld für Mieterinnen und Mieter bereitstellen

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Es ist völlig unstrittig: In den Großstädten erleben wir eine Mietenexplosion, wie sie die Republik noch nicht erlebt hat. Die Verdrängung aus den Innenstädten betrifft längst nicht nur arme Menschen. Die Mietenexplosion ist längst ein Angriff auf die Mittelschicht in diesem Land geworden. Das müssen wir endlich stoppen.

Darüber wird viel geredet. Ich finde, dass neben einem guten Mieterschutz eine gute Baupolitik ein ganz wichtiges Instrument dafür wäre. Die Frage ist, ob nicht nur viel darüber geredet, sondern auch alles Wichtige und Notwendige dafür getan wird. Hier habe ich wirklich meine Zweifel.

Frau Hendricks, Sie präsentieren sich hier gerne als Macherin im Bereich des sozialen Wohnungsbaus. Das freut mich als Linke sehr. Ich kann mich noch sehr gut erinnern: Als wir Linke vor vier, fünf Jahren an dieser Stelle einen Neustart im sozialen Wohnungsbau gefordert haben, sind wir noch verlacht worden. Die CDU/CSU hat dauernd „DDR“ und „Plattenbau“ dazwischengerufen. Heute zweifelt niemand mehr daran, dass wir einen Neustart im sozialen Wohnungsbau brauchen. Das freut uns als Linke; denn es zeigt: Die Linke wirkt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN - Sören Bartol (SPD): Ist klar! Die Linke hat‘s gerockt!)

- Ich habe den Zwischenruf von der SPD gehört. Wir können uns gerne die Plenardebatten daraufhin anschauen, wie sich Ihre Fraktion dazu verhalten hat.

Übrigens, Frau Hendricks: Wir sind in der Lage, einen Haushaltsplan zu lesen. Ich erkenne an ‑ das haben wir auch im letzten Jahr getan ‑, wenn mehr Geld für den sozialen Wohnungsbau eingestellt wird; das ist uns doch bekannt. Aber wir müssen uns erstens die Frage stellen, ob dieses Geld ausreicht; darauf werde ich gleich noch eingehen. Zweitens sollten Sie fairerweise zugeben, dass dieses Geld ‑ 1,5 Milliarden Euro ‑ keineswegs zweckgebunden für den sozialen Wohnungsbau ist. Es gibt Bundesländer wie Sachsen, in denen damit noch keine einzige Sozialwohnung gebaut worden ist. Auch das gehört zur Wahrheit. Es bleibt dann bei einer freiwilligen Berichtspflicht der Länder. Ich kann Ihnen sagen, wie das aussieht: Meine parlamentarischen Anfragen zur Entwicklung der Zahl der Sozialwohnungen werden gar nicht mehr beantwortet. Die Regierung sagt, die Länder müssten nicht mehr berichten. Ich weiß nicht, ob die Länder nicht mehr berichten wollen oder ob die Bundesregierung Angst vor einer Negativbotschaft hat. Aber eines muss doch klar sein: Geld, das für den sozialen Wohnungsbau eingestellt wird, muss am Ende auch für den sozialen Wohnungsbau ausgegeben werden. Das gilt ohne Wenn und Aber.

Ich möchte einmal etwas dazu sagen, ob das Geld jetzt ausreicht. Da können wir uns doch mal eine einfache Rechnung ansehen: Es fehlen in Deutschland schätzungsweise 4,5 Millionen Sozialwohnungen. Sie wissen ganz genau, dass jährlich circa 60 000 bis 100 000 Sozialwohnungen wegfallen; sie fallen aus der Preisbindung. 2013 wurden aber gerade mal 9 000 Wohnungen neu gebaut. 2014 waren es dann immerhin schon 12 000 neu gebaute Sozialwohnungen. Aber unterm Strich bleibt doch ein Negativsaldo. Das heißt doch nach Adam Riese, dass 50 000 bis 85 000 Sozialwohnungen Jahr für Jahr wegfallen. Wenn wir hier nicht deutlich mehr Anstrengungen unternehmen, dann haben wir in 25 Jahren überhaupt keine Sozialwohnungen mehr. Das darf einfach nicht sein, meine Damen und Herren.

Ich würdige Ihre Anstrengungen, Frau Hendricks. Ich kann mir auch vorstellen, dass es nicht einfach ist, mit diesem Koalitionspartner zu verhandeln, der bekanntermaßen nicht die Interessen der Mieter, sondern die Interessen der Kapitalanleger vertritt. Sie von der CDU/CSU haben ja bisher jede Verbesserung für die Mieterinnen und Mieter bekämpft, soweit es nur ging.

Sie müssen sich hier wirklich nicht präsentieren. - Wir als Linke sagen: Wir brauchen mindestens 5 Milliarden Euro jährlich für einen sozialen und gemeinnützigen Wohnungsbau. Ansonsten bekommen wir dieses Problem nicht in den Griff.

Die CDU/CSU sagt ja auch immer, es müsse mehr gebaut werden. Wissen Sie, ich würde mich freuen, wenn Sie endlich mal dazu kommen würden, zu sagen: Es muss mehr bezahlbarer Wohnraum gebaut werden.

Da gab es ja kürzlich mal eine schöne Statistik, die nachgewiesen hat, dass nur 5 Prozent aller neu gebauten Wohnungen bezahlbar sind. Da sprechen wir nicht von Sozialwohnungen; da sprechen wir über den Durchschnittsverdiener. Das heißt übersetzt: Nur 5 Prozent der neu gebauten Wohnungen sind für den Durchschnittsverdiener erschwinglich; in Berlin sind es gerade mal 2,5 Prozent. Das ist einfach nur skandalös. Es ist auch ein Armutszeugnis für die Baupolitik dieser Bundesregierung.

Deswegen verstehen wir als Linke auch gar nicht - ich wundere mich, dass Sie dazu nichts gesagt haben -, dass Sie beim Wohngeld laut Haushaltsplanentwurf fast 100 Millionen Euro einsparen wollen. Habe ich da nicht im Ohr, dass Sie sich noch vor einem Jahr für Ihre Wohngeldreform gefeiert haben? 320 000 Menschen mehr hätten jetzt Anspruch auf Wohngeld. Ja, wie geht das denn damit zusammen, dass Sie an dieser Stelle einsparen wollen? Da heißt es dann, die gute Konjunktur würde dafür sorgen. Da lachen doch wirklich die Hühner. Zeigen Sie mir eine einzige deutsche Stadt, in der die Löhne im gleichen Ausmaß steigen wie die Mieten! Das ist doch einfach nur verlogen.

Ich möchte an dieser Stelle festhalten, dass der Heizkostenzuschuss von Schwarz-Gelb abgeschafft wurde. Sie, Frau Hendricks, haben lange genauso wie wir Linke gefordert, dass der Heizkostenzuschuss wieder eingestellt wird. Das wäre das Gebot der Stunde. Insofern sagen wir: nicht 100 Millionen Euro weniger, sondern 500 Millionen Euro mehr für das Wohngeld. Das wäre eine soziale Mietenpolitik.

Auch die energetische Sanierung dürfen wir nicht vergessen. In ihrer jetzigen Form ist sie leider ein Entmietungsinstrument; sie wird missbraucht. Die Mieterinnen und Mieter werden dadurch aus ihren Häusern geschmissen. Wenn Sie es schon nicht schaffen bzw. wenn Herr Maas es nicht schafft, hierzu endlich mal einen Gesetzentwurf in den Bundestag einzubringen, anstatt dauernd nur tolle Presseerklärungen zu veröffentlichen, dann wäre es doch das Mindeste, an dieser Stelle mehr Geld einzustellen, um die Mieterinnen und Mieter bei der energetischen Gebäudesanierung mitzunehmen. Seit vielen Jahren werden hier 5 Milliarden Euro gefordert. Dafür werden wir als Linke uns in den Haushaltsberatungen starkmachen.

Meine Damen und Herren, ich möchte zu guter Letzt noch wenige Worte zum Klimaschutzplan sagen. Dieser Plan wurde so lange verwässert, bis er völlig untauglich geworden ist. Er ist unverbindlich; er verzichtet auf einen klaren Fahrplan, er verzichtet auf irgendeine klare Vorgabe für die einzelnen Sektoren. Mit diesem verwässerten Klimaschutzplan werden wir die von Ihnen selbst gesteckten Klimaschutzziele nicht erreichen. Dass Sie, Frau Hendricks, sich auch noch hier hinstellen und diesen Klimaschutzplan verteidigen, dafür habe ich kein Verständnis. Von einer Umweltministerin hätte ich wirklich mehr erwartet.

Vielen Dank.

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Die Wohnungsfrage ist die soziale Frage unserer Zeit. Doch statt sie anzugehen, werden Fehlentwicklungen systematisch politisch gefördert. Wohnungen sind zu reinen Spekulationsobjekten verkommen. Hohe Nachfrage und sogenannte Zwangssanierungen lassen die Mieten explodieren und zwar nicht nur in den Großstädten, sondern auch im Umland. Menschen werden aus jahrzentelang gewachsenen, sozialen Strukturen gerissen, gentrifzierte Viertel zu Soziotopen der Besserverdienenden. Wie konnte es soweit kommen? Warum unternimmt die Politik so wenig, um Mietenwahnsinn und Spekulation endlich zu stoppen? Und was muss getan werden, damit Wohnen endlich wieder bezahlbar wird? Caren Lay nimmt die deutsche Wohnungspolitik der letzten 20 Jahre schonungslos unter die Lupe, zeigt auf, wie und warum Deutschland zum Eldorado für Wohnungsspekulation werde konnte, und liefert provokante Ideen für eine soziale Wohnungspolitik, die wir so dringend brauchen.

Erschienen bei Westend / 160 Seiten Leseprobe

Über mich
Ich bin Bundestagsabgeordnete und Sprecherin für Mieten-, Bau- und Wohnungspolitik sowie für Clubpolitik.