Mietenpolitische Bilanz der Bundesregierung fällt mager aus

20.10.2016
Caren Lay, DIE LINKE: Mietenpolitische Bilanz der Bundesregierung fällt mager aus

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Nach drei Jahren Großer Koalition im Bund fällt die wohnungspolitische Bilanz dieser Regierung ehrlich gesagt bescheiden aus. Hier wurde viel geredet - fast immer auf Antrag der Opposition. Von der Regierung und insbesondere von der SPD wurde viel angekündigt, aber durchgesetzt wurde kaum etwas. Auch wurden keine wirklich sinnvollen Regelungen in dieser Legislaturperiode erlassen.

Ich beginne mit dem Lieblingsprojekt, der Mietpreisbremse. Wie sie sich jetzt darstellt, ist sie faktisch ein Rohrkrepierer. Das belegen verschiedene unabhängige Studien. Sie attestieren, dass die Mietpreisbremse in der derzeitigen Form nicht wirkt. Selbst dort, wo sie eingeführt wurde, steigen die Mieten weiter an. Das darf nicht sein. 

Unsere Vorschläge, die Mietpreisbremse nachzuschärfen, haben wir in der letzten Sitzungswoche hier im Bundestag eingebracht. Die Grünen bringen ihre Vorschläge heute ein. Wer noch nichts eingebracht hat, ist die Große Koalition. 

Ich bin Ihnen, Herr Dr. Nüßlein, fast dankbar, dass Sie ehrlich gesagt haben, Sie wollten die Mietpreisbremse nicht. 

Genau das ist auch das Problem. Die Große Koalition hat letztlich ein Gesetz auf den Weg gebracht, das zwar eine schöne Überschrift hat, das aber so viele Ausnahmen und Lücken enthält - daran hat die CDU/CSU alles gesetzt -, dass es das Papier nicht wert ist. Ihre Blockadehaltung in diesem Punkt ist das eigentliche Problem. Sie wollen nicht, dass die Mietpreisbremse wirkt. Das muss sich endlich ändern.

Auch der soziale Wohnungsbau kommt nicht in Schwung. Wir freuen uns, dass Geld draufgesattelt wurde und dass im vorletzten Jahr 12 000 Sozialwohnungen und im letzten Jahr 15 000 Sozialwohnungen neu gebaut wurden; das ist gut. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass Jahr für Jahr unglaublich viele Sozialwohnungen aus der sogenannten Sozialbindung herausfallen. Wenn es sich dabei im Schnitt um schätzungsweise 85 000 Wohnungen im Jahr handelt, dann bleibt trotz der Neubauten Jahr für Jahr ein Minus von rund 70 000 Sozialwohnungen, die aus der Sozialbindung herausfallen. Wenn wir nicht ein bisschen mehr Tempo machen, dann haben wir in 25 Jahren überhaupt keine Sozialwohnungen mehr. Das darf nicht sein.

Ich appelliere an die Vertreter der Länder: Setzen Sie das Geld, das Ihnen der Bund für den sozialen Wohnungsbau gibt, tatsächlich für den sozialen Wohnungsbau ein! 

Viele Länder füllen mit diesem Geld die Lücke, die durch die abgeschaffte Eigenheimförderung entstanden ist. Das ist schlichtweg eine Zweckentfremdung von Geldern. Das können wir nicht dulden.

Nun habe ich Applaus von der CDU/CSU bekommen. Das finde ich natürlich schön. 

Aber eines will ich deutlich sagen: Sich hinter dem Versagen der Länder bei der sozialen Wohnungspolitik zu verstecken, geht nicht. Schauen wir uns einmal an, um welche Bundesländer es sich handelt, die in den letzten zwei Jahren trotz der Subventionen des Bundes gar keine Sozialwohnungen gebaut haben. Wer war das denn? Das waren Sachsen, das Saarland und Mecklenburg-Vorpommern. Fällt Ihnen etwas auf? Wer regiert denn dort? Dort regiert die CDU zusammen mit der SPD. Sich hier hinter den Ländern zu verstecken, kann keine Lösung sein. 

Ich appelliere an die Länder, die Geltungsdauer der Sozialbindungen zu verlängern. Ansonsten fallen Hunderttausende Sozialwohnungen in den nächsten Jahren weg. Das heißt konkret, dass Zehntausende, vielleicht sogar Hunderttausende Menschen mit geringem Einkommen aus ihren Wohnungen fliegen werden. Deswegen lautet mein Appell an die Vertreter der Länder: Verlängern Sie die Geltungsdauer der Sozialbindungen! Kaufen Sie die sogenannten Belegungsbindungen auf! Das ist das Gebot der Stunde.

Auch der Bund muss seine Politik verändern. Erstens reicht das Geld hinten und vorne nicht aus. Wir sagen: 5 Milliarden Euro für einen sozialen, gemeinnützigen Wohnungsbau sind gut angelegtes Geld. Zweitens sollten wir mit dem Geld, das der Bund nun einsetzt, nicht auch noch die Fehler der Vergangenheit wiederholen. 15 Jahre lang werden die Wohnungen, die mit Geldern der sozialen Wohnraumförderung subventioniert werden, als Sozialwohnungen gebunden. Danach fliegen sie aus der Sozialbindung wieder heraus. Das bedeutet häufig, dass die Mieterinnen und Mieter ausziehen müssen. Das ist, ehrlich gesagt, keine sinnvolle Förderung. Deswegen sagen wir als Linke: Einmal Sozialwohnung, immer Sozialwohnung! Das muss für die Zukunft gelten.

Dass das gut funktioniert, kann man sich übrigens in Wien ansehen. Das Wiener Modell der Gemeindewohnung sollten wir uns als Vorbild nehmen. Die Abschaffung der Wohngemeinnützigkeit im Jahr 1990 war ein fataler Fehler, ein Jahrhundertfehler. Deswegen gehört die Einführung einer neuen Wohngemeinnützigkeit in das Zentrum einer neuen sozialen Wohnungspolitik.

Das Grundproblem ist Folgendes: Fast alle Akteure auf dem Markt wollen vor allen Dingen mit Wohnungen viel Geld verdienen. Dem müssen wir etwas Neues entgegensetzen, einen neuen Sektor, der nicht für die Rendite wirtschaftet, sondern der das Recht der Menschen auf bezahlbares Wohnen in den Mittelpunkt stellt. Das ist eine neue Wohngemeinnützigkeit.

Das Mantra der CDU „bauen, bauen, bauen“ ist übrigens keine Lösung. Ich meine, es herrscht regelrecht eine Goldgräberstimmung auf dem Immobilienmarkt. Es gibt ein Zehnjahreshoch bei den Baugenehmigungen. Aber das Magazin „Panorama“ hat herausgefunden, dass gerade einmal 5 Prozent der im Neubau befindlichen Wohnungen in den 20 größten deutschen Städten überhaupt für Normalverdiener erschwinglich sind, in Berlin nur 2,5 Prozent. Wir reden hier nicht nur von Geringverdienern und von Hartz-IV-Empfängern, sondern es wurde der Durchschnittsverdienst zugrunde gelegt. Ich muss einfach sagen: Wenn nur 5 Prozent aller Neubauten in den Großstädten für den Durchschnittsverdiener als Mieter erschwinglich sind, dann läuft etwas mit der Bau- und Wohnungspolitik dieser Regierung falsch.

Ein letzter Punkt: Wir brauchen nicht nur eine wirkungsvolle Mietpreisbremse; was wir vor allen Dingen noch brauchen, ist eine Spekulationsbremse. Wir müssen verhindern, dass Firmen die Möglichkeit haben, die Grunderwerbsteuer zu umgehen, und zwar nicht nur durch miese Tricks, sondern indem sie ganz legale Steuertricks ‑ Share Deals ‑ anwenden. Das dürfen wir nicht länger dulden. Das müssen wir hier im Deutschen Bundestag verhindern.

Herr Präsident, mein letzter Satz. - Es kann doch nicht sein, dass der Bund weiter mitspekuliert. Wir müssen endlich das Prinzip ändern, dass die bundeseigenen Immobilien weiterhin im sogenannten Höchstgebotsverfahren abgegeben werden. Wir brauchen hier ein Vorkaufsrecht der Kommunen. Ein gutes Beispiel ist das Dragoner-Areal hier in der Stadt Berlin. Ich finde, dieser Vertrag mit dem Großinvestor muss rückabgewickelt werden. Dieses Areal muss zurück an das Land Berlin, damit es gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern sozial entwickelt werden kann.

Vielen Dank.

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Die Wohnungsfrage ist die soziale Frage unserer Zeit. Doch statt sie anzugehen, werden Fehlentwicklungen systematisch politisch gefördert. Wohnungen sind zu reinen Spekulationsobjekten verkommen. Hohe Nachfrage und sogenannte Zwangssanierungen lassen die Mieten explodieren und zwar nicht nur in den Großstädten, sondern auch im Umland. Menschen werden aus jahrzentelang gewachsenen, sozialen Strukturen gerissen, gentrifzierte Viertel zu Soziotopen der Besserverdienenden. Wie konnte es soweit kommen? Warum unternimmt die Politik so wenig, um Mietenwahnsinn und Spekulation endlich zu stoppen? Und was muss getan werden, damit Wohnen endlich wieder bezahlbar wird? Caren Lay nimmt die deutsche Wohnungspolitik der letzten 20 Jahre schonungslos unter die Lupe, zeigt auf, wie und warum Deutschland zum Eldorado für Wohnungsspekulation werde konnte, und liefert provokante Ideen für eine soziale Wohnungspolitik, die wir so dringend brauchen.

Erschienen bei Westend / 160 Seiten Leseprobe

Über mich
Ich bin Bundestagsabgeordnete und Sprecherin für Mieten-, Bau- und Wohnungspolitik sowie für Clubpolitik.