Hoyerswerda: war da nicht was?
„Mensch und Natur vor der Kamera“, „Bildungsakteure stärken: Soziale Netzwerke – Sinn oder Unsinn?“ oder „Geldanlagen auf dem Grauen Kapitalmarkt – Welche Risiken gibt es?“.
Wer sich jetzt fragt, was diese Aufzählung meint, der schaue auf den Veranstaltungskalender der Stadt Hoyerswerda für den Zeitraum 17. - 21. September diesen Jahres. Genau 25 Jahre früher, im Jahr 1991, kam es im selben Ort zu heftigen rassistischen Ausschreitungen. Fast ein Jahr vor Rostock-Lichtenhagen schwappte der Fremdenhass erstmals nach der Vereinigung durch deutsche Straßen, brannte ein Haus.
Die weithin fehlende Erinnerung an diesen Tag im offiziellen Agieren der Stadt macht deutlich, wie schwer man sich bis heute in Hoyerswerda mit den Ereignissen tut. Dabei könnte man mit einer offensiven Erinnerungskultur beispielgebend sein für andere Orte in Sachsen, die sich erst vor kurzem in die Reihe der Orte mit rassistischen Ausschreitungen eingereiht haben. Ganz aktuell wurde in Heidenau der erste Jahrestag nach den Gewaltorgien von Nazis vor dem ehemaligen Praktiker-Baumarkt begangen, nicht ohne den Hinweis des zuständigen Bürgermeisters, dass Demonstrationen „niemandem etwas bringen würden“.
Das Sachsen in Fragen kritischer Erinnerungskultur Entwicklungsland ist, wissen wir längst. Der Mehltau von 26 Jahren CDU-Regierung liegt auch in diesem Bereich meterdick auf dem Land und behindert alle Initiativen, die eine tiefere Auseinandersetzung mit den negativen Teilen der eigenen Historie fordern. Ministerpräsident Tillich gestand zwar in diesem Jahr endlich ein, dass Sachsen ein Problem mit Rassismus habe, dass auch er selbst lange nicht sehen wollte. Die Aufarbeitung der rassistischen Vorfälle aus Vergangenheit und Gegenwart will die CDU aber auch weiterhin lieber verhindern.
Die Chancen einer offensiven Erinnerungskultur sind dabei nirgendwo sichtbarer als in Hoyerswerda. Denn es gibt viele positive Entwicklungen in der Stadt: Das Projekt „Wider das Vergessen“ zur Erinnerung an den Holocaust, durchgeführt von der Stadt, VVN-BdA, RAA Hoyerswerda und drei Schulen, geht in sein 21. Jahr. In jedem Schuljahr werden Zeitzeugen oder deren Kinder in die Schulen geholt. Oder das Bündnis „Hoyerswerda hilft mit Herz“, das in zeitweilig bis zu drei Aufnahmeeinrichtungen in der Stadt ehrenamtlich Hilfe geleistet hat. Nicht zuletzt die Tatsache, dass Anti-Asyl-Proteste trotz mehrfacher Versuche in der Stadt niemals wirklich Fuß fassen konnten – ganz anders als zum Beispiel im nur 40 Autominuten entfernten Bautzen, wo es über Jahre ein stabil hohes, rechtes Demonstrationsaufkommen gibt.
Es ist deswegen nicht alles gut in Hoyerswerda – das belegen allein die Zahlen der Beschädigungen und Angriffe auf mein Büro. Dass die Täter bis auf eine Ausnahme nicht ermittelt werden konnten, zeigt einen anderen Problemkreis.
Und doch könnte der 25. Jahrestag der rassistischen Ausschreitungen Anlass sein, zu bilanzieren, was sich in Hoyerswerda denn nun tatsächlich geändert, ob und was sich verbessert hat. Diesen Anlass nutzte die Bundestagsabgeordnete Caren Lay und veranstaltete anlässlich des Datums eine Ausstellung unter dem Titel "5 Tage im September", die sich mit den Vorfällen in Hoyerswerda im Herbst 1991 auseinander setzt. Mit vielen Gästen ging es in die Diskussion und am Ende stand die Erkenntnis, dass miteinander zu reden und offensiv eine kritische Gedenkkultur einzufordern, der richtige Weg ist.