Verbraucherpolitik darf nicht länger Nebenrolle spielen!
Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Es ist wohl dem Weltverbrauchertag zu verdanken, dass wir heute zur Kernzeit zum Thema Verbraucherpolitik sprechen können. Den Rest der Zeit bleibt die Verbraucherpolitik für die Bundesregierung eher eine Nebensache; dieses Thema wird gern in die Abend- und Nachtstunden verbannt.
Wir haben zwar eine Verbraucherministerin, die immer häufiger in Funk und Fernsehen überaus markige Forderungen verkauft das hat heute mehrfach eine Rolle gespielt.
So häufig, dass man leider immer wieder vergisst, dass Ihr Ministerium in den wesentlichen Punkten gar nichts zu entscheiden hat, sondern bestenfalls mitsprechen darf. Egal ob es um den finanziellen, um den wirtschaftlichen oder um den digitalen Verbraucherschutz geht, um Fahrgast- oder Patientenrechte: Zuständig für die harten Fakten sind immer die anderen Ministerien. Verbraucherinnen und Verbraucher bleiben so die Randfiguren der Regierungspolitik.
Das schlägt sich auch im Haushalt nieder. Frau Aigner, Ihre PR in eigener Sache steht in keinem Verhältnis zu den Zahlen und Fakten Ihres Haushaltsentwurfs. Schauen wir uns die Zahlen einmal an: Von Ihrem Gesamtetat von fast 6 Milliarden Euro planen Sie für verbraucherpolitische Maßnahmen gerade einmal 2,5 Prozent ein; das sind 148 Millionen Euro. Das steht in keinem Verhältnis zu den anderen Aufgaben Ihres Ministeriums.
Noch deutlicher wird die untergeordnete Stellung verbraucherpolitischer Maßnahmen durch einen Vergleich mit dem Etat des Wirtschaftsministers Brüderle, der hauptsächlich für die unternehmerische Seite der Märkte verantwortlich zeichnet.
Wirtschaftsminister Brüderle kann dieses Jahr allein 230 Millionen Euro, also deutlich mehr Mittel, als für den Verbraucherschutz zur Verfügung stehen, für das Nationale Weltraumprogramm ausgeben. Es ist schön und sicherlich überaus zeitgemäß, dass die Bundesregierung in die bemannte Raumfahrt investiert; aber mit dem unterirdischen Stellenwert, den die Verbraucherpolitik für sie hat, können wir uns als Linke nicht zufriedengeben.
Wir sagen: Verbraucherpolitik darf nicht länger eine Nebenrolle spielen.
Die Finanzkrise hat es gezeigt: Verbraucherinnen und Verbraucher sind den windigen Geschäftspraktiken der Banken ausgeliefert. Da ist es unsere Verantwortung als Politikerinnen und Politiker, die Märkte verbrauchergerecht zu regulieren. Wir können diese Verantwortung nicht einfach auf die Menschen abwälzen.
Es gibt sehr viele Vorschläge, wie das geschehen soll, beispielsweise die Einrichtung eines Marktwächters wie in Großbritannien oder einer Behörde für finanziellen Verbraucherschutz, wie in den USA geplant. Nichts von alledem finden wir in Ihrem Haushalt. Sie können sich nicht länger davor drücken, Verbraucherinnen und Verbraucher vor betrügerischen Praktiken von Unternehmen zu schützen. Mit freiwilligen Infoblättern ist es hier nicht getan.
Ich freue mich sehr, dass Verbraucherministerin Aigner immer häufiger die Zusammenarbeit mit den Verbraucherzentralen sucht das ist gut und schön ; aber es kann nicht sein, dass eine Bundesregierung immer stärker auf den Sachverstand und den Service von Verbraucherschutzorganisationen zurückgreift, ohne ihnen gleichzeitig auch nur einen einzigen Cent mehr zur Verfügung zu stellen.
Allein mit der Anschubfinanzierung für die Verbraucherstiftung ist es hier sicherlich nicht getan. Das ist nichts anderes als eine Auslagerung des Problems, zumal man jetzt noch nicht einmal alle Gelder, die tatsächlich zur Verfügung gestanden hätten, zur Verfügung stellt.
Wir Linke fordern mehr Geld für die Arbeit der Verbraucherorganisationen, insbesondere für den Bereich finanzielle Verbraucherberatung. Wir erinnern uns: Innerhalb von nur wenigen Tagen war es der Bundesregierung in der Krise möglich, einen Schutzschirm für Banken im Umfang von 470 Milliarden Euro zu spannen. Dagegen sind die 10 Millionen Euro, die wir heute für die Verbesserung der finanziellen Verbraucherberatung beantragen, doch wirklich ein Klacks.
Wer Banken aus der selbstverschuldeten Krise retten kann, der kann und darf beim Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher nicht sparen.
Auch an anderer Stelle wäre mehr Geld für die Verbesserung des Verbraucherschutzes notwendig gewesen: zur Verbesserung der Forschung, für notwendige Aufklärungsarbeit, für ein Siegel „Ohne Gentechnik“, für eine Ampelkennzeichnung oder für Modellprojekte, die sich vielleicht auch einmal an einkommensschwache Haushalte richten. An all diesen Stellen wird gespart. Hierfür ist kein Geld vorhanden.
Wir Linke wären offen gewesen für die Erschließung alternativer Einnahmequellen. Es könnten sich ja auch einmal die Unternehmerinnen und Unternehmer an der Finanzierung des Verbraucherschutzes beteiligen.
Wenn man bedenkt, wie viele Beratungen die Verbraucherzentralen machen müssen, um allein die Verbraucher über Fallen im Bereich Internet und Telekommunikation aufzuklären, wäre das nicht zu viel verlangt gewesen.
Verbraucherschutz ist eine öffentliche Aufgabe, ist eine notwendige Aufgabe. Wer hier spart, der spart an der falschen Stelle.
Vielen Dank.