Ehe für alle könnte sofort Wirklichkeit werden

08.03.2017
Caren Lay, DIE LINKE: Ehe für alle könnte sofort Wirklichkeit werden

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Es ist jetzt knapp zwei Jahre her, dass ich an dieser Stelle zum gleichen Thema, Ehe für alle, gesprochen habe, und ich stelle fest: Im Grunde könnte ich die gleiche Rede hier noch einmal halten.

Denn was ist seitdem passiert? Im Grunde ist nichts passiert. Stattdessen gab es jahrelangen Stillstand in einer Frage, die doch eigentlich ganz einfach zu beantworten wäre, und diese Frage lautet: Sollen zwei Menschen, die sich lieben, auch heiraten dürfen? Aber natürlich, und zwar völlig unabhängig davon, ob es sich dabei um einen Mann und eine Frau, um zwei Frauen oder um zwei Männer handelt. Das sollte heutzutage doch selbstverständlich sein.

In sehr vielen europäischen Ländern wurde das inzwischen auch erkannt. Finnland, Großbritannien, Dänemark, Frankreich, Holland, Portugal, aber auch so katholische Länder wie Irland und Spanien haben die Ehe für alle längst eingeführt, ohne dass der heilige Sankt Patrick vom Sockel gefallen wäre oder die heilige Jungfrau Maria blutige Tränen geweint hätte. Meine Damen und Herren, es wird höchste Zeit, dass Deutschland hier endlich aufholt.

Zum Schutz der Ehe im Grundgesetz. Es steht doch nirgendwo, dass damit nur die Heteroehe gemeint ist. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Wer Lesben und Schwulen die Ehe verweigert, der verstößt gegen den Geist des Grundgesetzes, nämlich gegen die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz.

Seit 2013 liegt ein Gesetzentwurf der Linken zum Thema „Ehe für alle“ vor. Seit 2015 gibt es einen ähnlichen Gesetzentwurf der Grünen ebenfalls zum Thema „Ehe für alle“. Inzwischen gibt es auch einen Gesetzentwurf des Bundesrates. Nur von der Koalition liegt nichts dazu vor. Leider haben Sie zu diesem Thema nichts hinbekommen in dieser Legislatur.

Die SPD hat im letzten Wahlkampf noch stolz verkündet: 100 Prozent Gleichstellung gibt es nur mit uns. Ich weiß jetzt, ehrlich gesagt, nicht genau, was Ihre Strategie ist. Thomas Oppermann hat angekündigt, er wolle den Koalitionsausschuss anrufen und die Ehe für alle noch in dieser Legislatur einführen. Vor lauter Schreck ist Horst Seehofer dann aber leider krank geworden.

Woanders heißt es, die SPD wolle damit in den Wahlkampf ziehen, das sei Bedingung für einen neuen Koalitionsvertrag. Der SPD-Parteivorstand hat zum Beispiel getwittert: Es ist Zeit für die Ehe für alle! Es ist Zeit für Adoption für gleichgeschlechtliche Paare! Es ist Zeit für Martin! Ja, was gilt denn jetzt eigentlich? Will die SPD denn jetzt alle überfälligen Reformen auf den Sankt Nimmerleins-Tag verschieben? Will sie warten, bis der Heilige Sankt Martin, so eine Art Messias aus Würselen, herabsteigt und es dann endlich richten wird? Also ich meine: Die Ehe für alle ist doch keine Schwungmasse für den Wahlkampf von Martin Schulz, sondern ein Grundrecht, das wir endlich einführen müssen.

Sie, Herr Kahrs, kündigen ja immer wieder an, dass Sie, wenn sich die Union nicht bewegt, Mehrheiten jenseits der Union suchen werden. Dann tun Sie das doch endlich! Sie können die Ehe für alle sofort haben, noch in dieser Legislatur. Geben Sie die Abstimmung bitte frei!

Ich finde es einfach schade, dass Sie es verhindern, dass unser linker Gesetzentwurf und der der Grünen zur Abstimmung gestellt werden. Wir haben es jetzt im Rechtausschuss 24-mal durch, immer das gleiche Ritual: Sie verhindern, dass die Gesetzentwürfe weiter behandelt werden. Ich halte das wirklich für ein parlamentarisches Trauerspiel.

Die Frage ist: Was würde denn eigentlich passieren, wenn Sie die Abstimmung freigeben und die SPD den Gesetzentwürfen von Linken und Grünen zustimmen würden? Erstens. Wir hätten eine Mehrheit. Ja, wir haben eine rot-rot-grüne Mehrheit hier im Haus. Ja, es gibt eine Mehrheit für die Ehe für alle. Lassen Sie uns das doch endlich nutzen!

Zweitens. Ja, dann würde die Koalition vielleicht platzen und Frau Merkel zurücktreten, aber ehrlich gesagt: Ich kann mir Schlimmeres vorstellen, und die meisten Bürgerinnen und Bürger auch. Ich weiß, dass die Blockierer auf der rechten Seite des Parlaments sitzen. Ich finde, dass die Union hier den Schuss nicht gehört hat.

In Ihrer eigenen Wählerschaft ist inzwischen eine Mehrheit für die Öffnung der Ehe und für das Appellationsrecht von lesbischen und schwulen Paaren.

Es wundert mich auch selbst ein bisschen, dass ich jetzt hier stehe und für die Ehe werbe. Das ist persönlich überhaupt nicht mein Lebensentwurf. Politisch bin ich für die Gleichstellung aller Lebensweisen. Sie müssten doch für die Ehe streiten. Sie sollten sich darüber freuen, dass es Menschen gibt, die heiraten wollen. In meinem persönlichen Bekanntenkreis sind das, ehrlich gesagt, viel mehr Lesben und Schwule als Heteros. Das ist doch eigentlich Ihr Thema. Aber Sie haben es völlig verbockt.

Ich muss in Richtung der SPD sagen: Augen auf bei der Partnerwahl! Das gilt nämlich nicht nur bei der Wahl des Ehepartners, sondern vor allen Dingen auch bei der Wahl des Koalitionspartners. Ich finde, es ist höchste Zeit, dass Sie die Scheidung endlich einleiten.

Zu guter Letzt, meine Damen und Herren: Aus meiner Sicht sollte auch die katholische Kirche ihre Positionen überdenken. Die römisch-katholischen Bischöfe wollen nämlich nicht, dass Lesben und Schwule heiraten dürfen. Liebe Bischöfe, damit zwingen Sie aber Lesben und Schwule gewissermaßen zum außerehelichen Sex. Das kann doch eigentlich nicht die Position der katholischen Kirche sein. Das sollten Sie dringend überdenken.

Vielen Dank.

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Erschienen bei Westend / 160 Seiten Leseprobe

Über mich
Ich bin Bundestagsabgeordnete und Sprecherin für Mieten-, Bau- und Wohnungspolitik sowie für Clubpolitik.