Förderung von Sozialwohnungen sicherstellen

30.06.2017
Caren Lay, DIE LINKE: Förderung von Sozialwohnungen sicherstellen

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eines freut mich ausdrücklich: dass in den letzten Wochen und Monaten, insbesondere bei den letzten Podiumsdiskussionen, von denen es kurz vor dem Wahlkampf viele gegeben hat, alle Parteien, auch die Union, betont haben, wie wichtig der soziale Wohnungsbau ist und wie gut es war, dass der Bund dafür mehr Geld bereitgestellt hat.

Das ist wirklich ein Lernprozess, den vor allen Dingen die Union mitgemacht hat. Ich kann mich noch sehr gut erinnern: Als ich vor fünf Jahren an dieser Stelle zum ersten Mal einen Neustart im sozialen Wohnungsbau gefordert habe, kam von Ihrer Seite nur die Antwort: Das ist ja Gropiusstadt, das ist DDR, das ist Plattenbau. Das wollen wir nicht. - Ich finde es gut, dass Sie dazugelernt haben.

Jetzt aber zur Bilanz, meine verehrten Damen und Herren: Zu Beginn dieser Legislatur gab es noch 1,5 Millionen Sozialwohnungen. Nach aktuellen Zahlen sind es noch 1,25 Millionen Sozialwohnungen. Das ist also unter dem Strich ein Minus von 250.000 Sozialwohnungen. Das ist wirklich kein Anlass für eine Jubelbilanz.

Das ist ein weiterer Niedergang des sozialen Wohnungsbaus, und das darf einfach nicht sein.

Deswegen darf man auch nicht von einer Trendwende sprechen, meine Damen und Herren. Wir haben in der Tat einen Neubau von 25.000 Sozialwohnungen. Aber wir wissen, dass unter dem Strich mindestens 25.000 bis 50.000 Sozialwohnungen wegfallen; das ist die traurige Wahrheit. Dabei brauchen Mieterinnen und Mieter den sozialen Wohnungsbau so dringend wie nie zuvor. In der letzten Woche wurde eine Studie veröffentlicht, die belegt, dass inzwischen die Hälfte der Bundesbürger in angespannten Wohnungsmärkten lebt. Das Schlimmste ist, dass die Mietpreisentwicklung so rasant nach oben geht, die Löhne aber stagnieren. Diese beiden Werte entkoppeln sich immer weiter. Das heißt: Wir haben es wirklich mit Wohnungsnot zu tun. Das führt zu einer Enteignung der städtischen Mittelschichten. Deswegen sagen wir als Linke: Wir brauchen höhere Löhne und niedrigere Mieten.

Wie sind wir dahin gekommen? In der Tat war die Entscheidung 2006, die Verantwortung für den sozialen Wohnungsbau komplett an die Länder zu geben, keine gute Entscheidung. Nur die Linke hat damals dagegen protestiert. Heute sehen wir, wie recht wir damals hatten.

Es gibt einige Länder, zum Beispiel Sachsen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern, die über Jahre gar keine Sozialwohnungen mehr gebaut haben. Die Gelder werden in Haushaltslöcher gesteckt oder in Eigentumsmaßnahmen investiert. Über 600 Millionen Euro wurden im letzten Jahr mit den Geldern, die wir vom Bund für den sozialen Wohnungsbau den Ländern geben, für Eigentumsmaßnahmen ausgegeben. Das ist eine falsche Prioritätensetzung, und damit versündigen sich die Länder an den Mieterinnen und Mietern.

Ich habe noch keinen Wohnungsexperten gehört, der bisher gesagt hat, dass es eine gute Idee war, die Verantwortung komplett an die Länder zu geben. Ich glaube auch, es war ein schwerer Fehler. Es wird höchste Zeit, das rückgängig zu machen.

Wenn wir es nicht tun, dann kann ab dem Jahr 2020 kein müder Euro des Bundes mehr für den sozialen Wohnungsbau oder für die soziale Wohnraumförderung ausgegeben werden. Das halte ich schlichtweg für eine soziale Katastrophe. Frau Hendricks hat es auch so gesehen. Schade, dass sie nicht mehr da sein kann. Sie hat im August letzten Jahres gesagt: Wir brauchen eine Grundgesetzänderung. - Dann, ein halbes bzw. Dreivierteljahr später, wurde das Grundgesetz an 13 Stellen im Rahmen des Länderfinanzausgleichs geändert. Es wäre eine Supergelegenheit gewesen, das in einem Rutsch zu beschließen.

Klar, die CDU/CSU wollte es nicht, aber ich habe, ehrlich gesagt, die SPD nicht kämpfen sehen. Ich weiß, dass Sie sich für diese Forderung jetzt im Wahlkampf starkmachen, auch Herr Schulz. Es früher zu machen, wäre der richtige Zeitpunkt gewesen. Es nur im Wahlkampf zu machen, finde ich, ehrlich gesagt, etwas unanständig.

Ich möchte zu guter Letzt noch auf einige Gegenargumente eingehen, um vielleicht noch einmal um Zustimmung zu unserem Antrag zu werben, insbesondere bei der SPD und bei den Grünen. Ich habe zum Beispiel in den Medien in den letzten Wochen gehört: Das wird eh nichts mehr. Aber es gibt vielleicht eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für eine neue Gemeinnützigkeit. - Die wollen wir ja auch; aber das eine schließt das andere doch nicht aus. Und auch gemeinnützige Unternehmen freuen sich über direkte Zuschüsse vom Bund. Angesichts der hohen Bau- und Bodenpreise brauchen auch gemeinnützige Unternehmen, die wir erst einmal gründen müssen, zukünftig die Unterstützung vom Bund.

Ich weiß, meine Damen und Herren, es gab Fehler beim alten sozialen Wohnungsbau. Es ist völliger Quatsch, dass zum Beispiel die Bindungen nach 15 Jahren auslaufen. Aber um diese Fehler zu beheben, muss der Bund endlich wieder in Verantwortung kommen.

Ich vermute natürlich, dass die eigentlichen Blockierer, diejenigen, die es nicht wollen, natürlich nicht SPD und Grüne sind, sondern in der CDU/CSU sitzen. - Ja, Sie können mich ja gleich gerne vom Gegenteil überzeugen. - Mein Verdacht ist, dass es leider kein Zufall war, den sozialen Wohnungsbau an die Wand zu fahren, sondern dass es politisch gewollt war. Das ist einfach nicht in Ordnung.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Es ist eigentlich auch egal; denn man braucht Sie nicht zu zwingen. Wir haben schon heute Morgen gesehen, wie schön es ist, wenn man hier mit rot-rot-grünen Mehrheiten sinnvolle Dinge beschließt. Ich kann nur sagen: Weiter so! Warum jetzt nicht auch die Zustimmung geben, sozialen Wohnungsbau nach 2019 auf den Weg zu bringen?

Liebe Sozialdemokraten, geben Sie sich einen Ruck für eine positive Entscheidung. Die Wählerinnen und Wähler werden es Ihnen sicherlich danken.

Vielen Dank.

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Die Wohnungsfrage ist die soziale Frage unserer Zeit. Doch statt sie anzugehen, werden Fehlentwicklungen systematisch politisch gefördert. Wohnungen sind zu reinen Spekulationsobjekten verkommen. Hohe Nachfrage und sogenannte Zwangssanierungen lassen die Mieten explodieren und zwar nicht nur in den Großstädten, sondern auch im Umland. Menschen werden aus jahrzentelang gewachsenen, sozialen Strukturen gerissen, gentrifzierte Viertel zu Soziotopen der Besserverdienenden. Wie konnte es soweit kommen? Warum unternimmt die Politik so wenig, um Mietenwahnsinn und Spekulation endlich zu stoppen? Und was muss getan werden, damit Wohnen endlich wieder bezahlbar wird? Caren Lay nimmt die deutsche Wohnungspolitik der letzten 20 Jahre schonungslos unter die Lupe, zeigt auf, wie und warum Deutschland zum Eldorado für Wohnungsspekulation werde konnte, und liefert provokante Ideen für eine soziale Wohnungspolitik, die wir so dringend brauchen.

Erschienen bei Westend / 160 Seiten Leseprobe

Über mich
Ich bin Bundestagsabgeordnete und Sprecherin für Mieten-, Bau- und Wohnungspolitik sowie für Clubpolitik.