Wer arm ist, findet keine Wohnung

10.04.2018
Caren Lay

Insgesamt fehlen in den 77 deutschen Großstädten rund 2 Millionen Wohnungen – das belegt eine aktuelle Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Steigende Mieten und der Mangel an bezahlbaren Wohnungen treffen in erster Linie Haushalte mit geringen Einkommen. Je weniger Geld ein Haushalt zur Verfügung hat, desto seltener gelingt es, überhaupt noch eine Wohnung zu finden. Es herrscht eine soziale Versorgungslücke. Zeitgleich nimmt die Spekulation mit Wohnraum und Grundstücken immer mehr zu. Wohnen ist zu einer zentralen sozialen Frage geworden.

"Bauen, Bauen, Bauen", ruft die Baulobby. Auch die Bundesregierung setzt im Wesentlichen auf den Neubau von Wohnungen. Doch was und für wen wird aktuell gebaut? Die meisten Wohnungen sind Eigentumswohnungen. Wenn Mietwohnungen gebaut werden, dann in höheren Preisbereichen. Das können sich Familien mit mittleren Einkommen nicht leisten und schon gar nicht Familien und Alleinstehende mit niedrigen Einkommen. Für diese Menschen, immerhin eine Mehrheit der Bevölkerung vieler Städte, wird kaum gebaut. Wir brauchen deshalb dringend einen Neustart im sozialen, gemeinnützigen Wohnungsbau. Der Bund muss auch nach 2019 dafür in der Verantwortung bleiben.

Doch Wohnungsarmut hat zwei Quellen: steigende Mieten und stagnierende Löhne. Einerseits explodieren die Immobilienmärkte, die Bodenspekulation treibt die Preise bis zu 1.000 Prozent nach oben, die Mieten in Großstädten stiegen seit 2004 um fast 50 Prozent. Andererseits stagnieren die Löhne und Gehälter seit langem. Um überhaupt noch eine Wohnung in der Nähe zu finden, sind immer mehr Menschen gezwungen bis zur Hälfte ihres Einkommens für ihre Miete auszugeben. Das überschreitet die empfohlene Grenze von 30 Prozent des Einkommens deutlich. 2017 betraf das bereits vier von zehn Mieterinnen und Mietern in Großstädten, wie eine Studie derselben Autoren zeigte.

Der Trend zu geringen Löhnen bei steigenden Mieten muss umgekehrt werden. Wir brauchen höhere Löhne und Renten ebenso wie eine Deckelung der Mieten.

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Die Wohnungsfrage ist die soziale Frage unserer Zeit. Doch statt sie anzugehen, werden Fehlentwicklungen systematisch politisch gefördert. Wohnungen sind zu reinen Spekulationsobjekten verkommen. Hohe Nachfrage und sogenannte Zwangssanierungen lassen die Mieten explodieren und zwar nicht nur in den Großstädten, sondern auch im Umland. Menschen werden aus jahrzentelang gewachsenen, sozialen Strukturen gerissen, gentrifzierte Viertel zu Soziotopen der Besserverdienenden. Wie konnte es soweit kommen? Warum unternimmt die Politik so wenig, um Mietenwahnsinn und Spekulation endlich zu stoppen? Und was muss getan werden, damit Wohnen endlich wieder bezahlbar wird? Caren Lay nimmt die deutsche Wohnungspolitik der letzten 20 Jahre schonungslos unter die Lupe, zeigt auf, wie und warum Deutschland zum Eldorado für Wohnungsspekulation werde konnte, und liefert provokante Ideen für eine soziale Wohnungspolitik, die wir so dringend brauchen.

Erschienen bei Westend / 160 Seiten Leseprobe

Über mich
Ich bin Bundestagsabgeordnete und Sprecherin für Mieten-, Bau- und Wohnungspolitik sowie für Clubpolitik.