Grundgesetzänderung für neue Sozialwohnungen

28.09.2018
Caren Lay, DIE LINKE: Grundgesetzänderung für neue Sozialwohnungen

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir hier beschließen, dass der Bund wieder für den sozialen Wohnungsbau zuständig wird und diesen dann auch weiter mitfinanzieren kann, dann freue ich mich; denn damit würde eine langjährige Forderung der Linken, eine langjährige Forderung auch von mir ganz persönlich in Erfüllung gehen. Sie sehen, meine Damen und Herren: Die Linke wirkt!

Ich darf mich über diesen Sinneswandel auch freuen; denn als wir dieses Anliegen vor 15 Monaten hier zur Abstimmung gestellt haben, gab es noch Ablehnung der Koalition und Enthaltung der Grünen. Ich freue mich sehr, wenn Sie Ihre Meinung an dieser Stelle ändern.

Nun habe ich gehört, dass die FDP von diesem Vorhaben noch nicht überzeugt ist, Herr Lindner. Wohngeld allein ist nicht die Lösung, auch wenn ich weiß, dass das ein beliebtes Argument der Immobilienlobby ist. Klar wollen die das. Aber das heißt ja im Endeffekt, dass wir mit öffentlichen Geldern die Rendite in privaten Händen, die Mietenexplosion in den Händen von wenigen Konzernen subventionieren würden. Das ist finanziell keine nachhaltige Politik.

Wenn wir keine Belegungsrechte für Sozialwohnungen mehr haben, dann heißt das, dass sich bald kein Normalverdiener eine Wohnung in den Innenstädten mehr leisten kann. Dann haben wir dort Monokulturen von Besserverdienenden und Businessleuten; das können wir alle nicht wollen.

Ja, keine Frage: Die Verantwortung für den sozialen Wohnungsbau in die Hände der Länder zu geben, war keine gute Idee. Die Anzahl der Sozialwohnungen sank rapide. Sie liegt gerade mal bei 1,2 Millionen. Auch die Zweckentfremdung der Mittel für den sozialen Wohnungsbau durch die Länder erreicht erhebliche Größenordnungen; das habe ich mit meinen Anfragen regelmäßig nachgewiesen. Der massive Rückgang an Sozialwohnungen ist auch schuld an der Mietenkrise. Deswegen müssen wir diese Politik ändern.

Ich finde allerdings, dass es zu kurz greift, sich als Bundesregierung einen schlanken Fuß zu machen und zu sagen: Allein die Länder sind schuld am Niedergang des sozialen Wohnungsbaus. Ich will daran erinnern: Es war die gleiche Koalition, die diese Frage vor 12 Jahren entschieden, und wie wir heute wissen, falsch entschieden hat.

Als die Föderalismusreform 2006 hier diskutiert wurde - ich habe mir das Plenarprotokoll extra noch einmal durchgelesen -, war es allein DIE LINKE, die problematisiert hat, dass das zu einem Rückgang der sozialen Wohnungen kommen wird. Deswegen haben wir dem damals auch nicht zugestimmt. Und als wir vor fünfeinhalb Jahren einen Neustart im sozialen Wohnungsbau gefordert haben, ernteten wir vor allen Dingen von der Unionsfraktion Hohn und Spott.

Wenn wir jetzt aber die Grundlagen legen, dass der Bund Sozialwohnungen weiterhin mitfinanzieren darf, dann sollten wir aus meiner Sicht auch mehr mitreden dürfen. Denn es geht nicht nur um das Ob des sozialen Wohnungsbaus, sondern auch um das Wie; und da muss sich einiges ändern. Mit den Geldern für den sozialen Wohnungsbau Haushaltslöcher zu stopfen oder Eigenheime zu subventionieren - damit, meine Damen und Herren, muss endlich Schluss sein.

Ein anderes und aus meiner Sicht das zentrale Problem sind die auslaufenden Belegungsbindungen. Das heißt: 15 Jahre lang gelten die subventionierten Wohnungen als Sozialwohnungen; danach fallen sie aus der Belegungsbindung. Das ist ein Fehler. In Zukunft muss gelten: einmal Sozialwohnung, immer Sozialwohnung.

Es fehlen nämlich im Moment 4 bis 5 Millionen Sozialwohnungen. Die 100.000 Wohnungen, die Sie in dieser Legislatur bauen wollen, sind natürlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein; denn wenn jedes Jahr mindestens 80.000 Wohnungen aus der Sozialbindung herausfallen, dann werden wir am Ende der Legislatur weniger Sozialwohnungen statt mehr Sozialwohnungen haben. Und das ist eine falsche Politik.

Dafür wird es am Ende des Tages Geld brauchen. Die 5 Milliarden Euro, die Sie in dieser Legislatur und nicht, wie wir fordern, im Jahr zur Verfügung stellen, reichen nicht aus. Sie geben demgegenüber 14 Milliarden Euro für Sonder-AfA und für Baukindergeld aus. Das, meine Damen und Herren, steht in keinem Verhältnis.

Zu guter Letzt: Wenn Fehler korrigiert werden sollen, dann bitte schön auch noch weitere; denn die falsche Wohnungspolitik hat ihren Anfang nicht erst in der Föderalismusreform 2006, sie begann 1989 mit der Abschaffung der Wohngemeinnützigkeit. Diese müssen wir jetzt in veränderter, in moderner Form wieder einführen. Das ist der nächste Schritt. Daran werden wir weiter arbeiten.

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Die Wohnungsfrage ist die soziale Frage unserer Zeit. Doch statt sie anzugehen, werden Fehlentwicklungen systematisch politisch gefördert. Wohnungen sind zu reinen Spekulationsobjekten verkommen. Hohe Nachfrage und sogenannte Zwangssanierungen lassen die Mieten explodieren und zwar nicht nur in den Großstädten, sondern auch im Umland. Menschen werden aus jahrzentelang gewachsenen, sozialen Strukturen gerissen, gentrifzierte Viertel zu Soziotopen der Besserverdienenden. Wie konnte es soweit kommen? Warum unternimmt die Politik so wenig, um Mietenwahnsinn und Spekulation endlich zu stoppen? Und was muss getan werden, damit Wohnen endlich wieder bezahlbar wird? Caren Lay nimmt die deutsche Wohnungspolitik der letzten 20 Jahre schonungslos unter die Lupe, zeigt auf, wie und warum Deutschland zum Eldorado für Wohnungsspekulation werde konnte, und liefert provokante Ideen für eine soziale Wohnungspolitik, die wir so dringend brauchen.

Erschienen bei Westend / 160 Seiten Leseprobe

Über mich
Ich bin Bundestagsabgeordnete und Sprecherin für Mieten-, Bau- und Wohnungspolitik sowie für Clubpolitik.