Etikettenschwindel bei der Mietpreisbremse
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich muss schon sagen: Wenn ich mir diese Debatte so anhöre, dann habe ich wirklich das Gefühl, dass viele sich überhaupt nicht vorstellen können, wie das ist, wenn man morgens Angst haben muss, einen Brief des Vermieters aus dem Briefkasten zu ziehen und ihn zu öffnen. Aber Hunderttausende Mieterinnen und Mieter kennen diese Angst.
Ich war kürzlich bei einer Versammlung von Vonovia-Mietern in Stuttgart: ein Saal voller verzweifelter Menschen mit kleinem Einkommen; die meisten Rentnerinnen und Rentner. Sie haben Angst, Briefe vom Vermieter zu öffnen, Angst vor jeder Mieterhöhung, Angst vor jeder Modernisierungsumlage, Angst vor jeder getricksten Nebenkostenabrechnung. Sie haben Angst, dass sie sich ihre Wohnung nicht mehr leisten können, und diese Angst teilen inzwischen 74 Prozent der Mieterinnen und Mieter in den Städten. Das ist doch schlimm. Dagegen müssen wir doch etwas tun! Da können wir hier doch nicht solche Reden halten und sagen: Es ist schon alles passiert.
Der Gesetzentwurf der Regierung hilft da leider nicht viel weiter, schon alleine weil zur Deckelung der Bestandsmieten, also der Altmietverträge, rein gar nichts unternommen wird. Dabei ist das doch das zentrale Problem.
Die Mietpreisbremse gilt ja nur dann, wenn Leute auch tatsächlich umziehen. Da feiern Sie sich jetzt ab über die Auskunftspflicht über die Höhe der Vormiete. Ich meine, das ist schön und gut. Man könnte auch sagen: Das ist lieb und nett. - Aber das zentrale Problem ist es doch eigentlich gar nicht. Davon profitiert doch nur ein Bruchteil der Mieterinnen und Mieter. Wenn vielleicht 0,5 Prozent der Mieter irgendwas von dieser Regelung haben, dann ist es wirklich viel.
Warum ist denn die Mietpreisbremse ein Rohrkrepierer? Warum funktioniert sie nicht? Wegen den ganzen Bedingungen, wegen den ganzen Ausnahmen, die damals die Lobbyisten der Immobilienwirtschaft mit Unterstützung der Union in dieses Gesetz geklagt haben. Deswegen sagen wir als Linke: Die Ausnahmen bei der Mietpreisbremse gehören abgeschafft - aber Fehlanzeige!
Es braucht wirkungsvolle Sanktionen gegen die Vermieter: Wer gegen ein Gesetz verstößt, der muss in einem Rechtsstaat bestraft werden. Was überall normal ist, das gilt bisher nur nicht bei der Mietpreisbremse. Das ist doch wirklich absurd.
Das Schärfste ist: In zwei Jahren läuft die Mietpreisbremse schon wieder aus. Sie ist gerade eingeführt worden, funktioniert nicht, bei ihr wird kaum nachgebessert, und bald läuft sie schon wieder aus. Ehrlich gesagt, wenn man es mit einem besseren Mieterschutz wirklich ernst meinte, dann wäre das das Erste, was man angehen müsste.
Meine Damen und Herren, die Mietpreisbremse wird wirklich noch als das wirkungsloseste Gesetz aller Zeiten ins „Guinness-Buch der Rekorde“ einziehen, und diese angebliche Nachbesserung wird daran auch nichts ändern.
Für Mieterinnen und Mieter kommt diese Tatenlosigkeit der Regierung wirklich teuer. Nehmen wir doch aus aktuellem Anlass mal das Bundesland Hessen. Frankfurt ist bereits jetzt die zweitteuerste Stadt in Deutschland. Wir zahlen dort inzwischen 20 Prozent mehr als 2013. In der Stadt Offenbach hatten wir im gleichen Zeitraum einen Anstieg um fast 30 Prozent auf über 10 Euro pro Quadratmeter bei einem neuen Mietvertrag. Fast die Hälfte der Offenbacher muss mehr als 30 Prozent seines Einkommens für die Miete ausgeben. Da bleibt für Anschaffungen, für Urlaub kein Pfennig mehr übrig. Eine ähnliche Situation haben wir in Kassel, in Darmstadt und in Frankfurt. Das kann doch wirklich nicht wahr sein.
Heute habe ich im Hessentrend die sinkenden Umfragewerte von Union und SPD gesehen: Vielleicht hat es etwas damit zu tun; vielleicht hat es mit dieser verpennten Mietenpolitik der letzten fünf Jahre zu tun. Dieses Gesetz wird nicht viel helfen. Die Mietpreisbremse bleibt Etikettenschwindel. Sie feiern sich hier für heiße Luft kurz vor den hessischen Landtagswahlen; aber der Effekt ist minimal.
Die Kosten der Modernisierung können auch weiterhin auf die Mieterinnen und Mieter umgelegt werden. Die Modernisierungsumlage ist ja das Verdrängungsinstrument Nummer eins. Die Absenkung der Modernisierungsumlage von 11 auf 8 Prozent der Modernisierungskosten ist ein Schritt in die richtige Richtung, löst aber das Kernproblem nicht. Das Kernproblem besteht darin, dass die Modernisierungsumlage in erster Linie eines ist: ein Finanzprodukt für Investoren.
Die Vonovia-Mieter in Stuttgart und viele andere können ein Lied davon singen. Mit kaum einer anderen Geldanlage kann man so viel Geld verdienen wie mit der Modernisierung von Mietwohnungen in deutschen Großstädten. Das zieht doch Spekulanten förmlich an. Deswegen gehört die Modernisierungsumlage abgeschafft. Das ist einer von mehreren Punkten, die wir als Linke fordern.
Zweitens muss die Mietpreisbremse ohne Ausnahme gelten.
Drittens wollen wir einen Mietenstopp. Auf angespannten Wohnungsmärkten darf die Miete nicht mehr steigen als die Inflationsrate. Das fordert Die Linke seit 2013. Ich freue mich sehr, dass die SPD das übernommen hat, bin aber gespannt, ob das bei der Abstimmung dann immer noch gilt.
Wir wollen außerdem - das ist ein ganz wichtiger Punkt - Mieterinnen und Mieter vor Kündigungen und vor Zwangsumzügen besser schützen. Auch davon findet sich in diesem Gesetzentwurf kein einziges Wort.
Kollektive Rechte von Mieterinnen und Mietern wollen wir als Linke stärken, auch Gewerbetreibende, kleine Läden, Klubs und Kulturbetriebe müssen wir besser schützen.
Letzter Punkt. Die Umlage von Betriebskosten muss auch zukünftig einheitlich, transparent und auch mieterfreundlich ausgestaltet und umfassend definiert werden. Zu oft wird auch hier getrickst. Auch das ist ein wichtiges Thema für die Vonovia-Mieter in Stuttgart.
Wenn ich mir das so anhöre, dann empfehle ich vielleicht jedem von Ihnen, insbesondere den Herrschaften hier im rechten Teil des Raumes, dort mal einen Besuch. Wenn ich mir diesen schwachen Gesetzentwurf ansehe, dann habe ich das Gefühl: Sie wissen gar nicht, was auf dem Wohnungsmarkt so los ist, und das, meine Damen und Herren, muss sich dringend ändern!