Wohngeld erhöhen und ausweiten!

18.10.2019
Caren Lay, DIE LINKE: Wohngeld erhöhen und ausweiten!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Preise für Mietwohnungen in den Städten explodieren. Sie haben sich völlig entkoppelt von der Entwicklung der Löhne, von der Entwicklung der Einkommen, und das ist das eigentliche Problem. In der Folge müssen viele Menschen einen unzumutbar großen Anteil ihres Einkommens für die Miete ausgeben, und daran wird leider auch die vorliegende Wohngeldreform nichts ändern!

Auch wir als LINKE finden natürlich, dass die Anpassung des Wohngeldes, eine Wohngeldreform, dringend nötig ist! Aber leider greift die Reform, die Sie heute vorgelegt haben, viel zu kurz; sie ist halbherzig! Denn erstens ist das Wohngeld einfach nicht hoch genug. Das liegt schon allein daran, dass es das letzte Mal vor drei Jahren erhöht wurde. Das Zweite ist, dass die gesamte Berechnungsmethode nicht hinreichend ist. Für die Berechnung des Wohngeldes werden eben nicht die realen Mieten, sondern nur bestimmte Mieten zur Grundlage genommen, und im Ergebnis kann das Wohngeld die reale Mietsteigerung nicht abbilden. Daran wird auch die vorliegende Reform nichts ändern, und das ist wirklich schade!

Was ich aber wirklich das Schärfste finde, ist, dass mit der vorliegenden Reform in sage und schreibe 164 Städten und Gemeinden die Erhöhung des Wohngeldes ausbleiben wird, weil sie durch die Systematik der Mietstufen herabgestuft werden. Da muss ich schon sagen, dass ich es angesichts des Mietenwahnsinns wirklich absurd finde, eine Reform zu machen, in der für Haushalte das Wohngeld am Ende auch noch sinkt. Das kann man wirklich niemandem erklären!

Ich finde es in der Tat falsch - das ist vorhin schon angesprochen worden -, dass hier eine Wohngeldsystematik oder eine Reform vorliegt, in der nach und nach der Kreis der Empfänger immer kleiner wird. Das kann angesichts des Mietenwahnsinns in den Städten nicht der richtige Weg sein!

Seit vielen Jahren kritisieren wir als LINKE, dass die Heizkosten aus der Berechnung des Wohngeldes herausgenommen wurden. Auch daran wird diese Reform leider nichts ändern. Wir finden, auch die Heizkosten müssen beim Wohngeld berücksichtigt werden. Das Wohngeld muss sich endlich an den realen Wohnkosten orientieren!

Und völlig ausgeklammert wird das, was Umweltverbände, was der Deutsche Mieterbund wirklich seit vielen Jahren fordern und was angesichts der Klimakrise auch dringend notwendig wäre, nämlich eine Klimakomponente einzuführen. Wir wollen, dass sich auch Wohngeldbezieher eine sanierte Wohnung leisten können. Aber ohne eine solche Klimakomponente im bisherigen System der Modernisierungsumlagen müssen ärmere Mieterinnen und Mieter entweder in den unsanierten Wohnungen wohnen, oder sie fliegen nach der Sanierung raus, weil die Miete zu hoch wird. Das findet tausendfach in unseren Städten statt, und das kann doch wirklich kein Mensch wollen!

Deswegen muss ein modernes Wohngeld eben auch die Kosten für die energetische Sanierung berücksichtigen. Sie muss gefördert werden. Wir müssen die Verdrängung durch diese Modernisierung verhindern, und deswegen brauchen wir eine Klimakomponente beim Wohngeld.

Meine Damen und Herren, das Wohngeld muss also erstens deutlich ausgeweitet werden. Es muss zweitens jährlich angepasst werden. Es muss drittens die Heizkosten berücksichtigen und viertens eine Klimakomponente beinhalten. Aber das Wichtigste ist: Ein Wohngeld muss so konzipiert sein, dass es die extremen Belastungen durch den Mietenwahnsinn verhindert! Es gibt den guten Grundsatz, dass kein Haushalt mehr als 30 Prozent des Einkommens für das Wohnen ausgeben müssen sollte. Dafür müsste ein soziales Wohngeld, dafür müsste eine soziale Wohnungspolitik sorgen!

Meine Damen und Herren, ich möchte zum Abschluss noch ein paar grundsätzliche Dinge zum Instrument des Wohngeldes sagen. Natürlich sagen wir als LINKE: Solange es nicht genug bezahlbare Wohnungen gibt, brauchen wir das Wohngeld. - Aber ich sage auch, gerade weil das auch von der FDP und der AfD als Mittel der Wahl dargestellt wird: Die sogenannte Subjektförderung ist es für uns als LINKE nicht; denn erstens wird ja mit dem Wohngeld - das muss man einfach sehen - faktisch die Rendite privater Großvermieter und Konzerne subventioniert.

Zweitens kann die Verdrängung aus den Innenstädten durch das Instrument des Wohngeldes nicht verhindert werden. Drittens sind die Kosten für Wohngeld und auch die Kosten der Unterkunft seit der Abschaffung der Wohngemeinnützigkeit explodiert. Das sind einfach die Fakten. Und viertens - und das ist entscheidend -: Das Wohngeld schafft keine einzige neue Wohnung! Das ist doch Ihr Argument, das Sie immer gegen den Mietendeckel anführen. Das muss an dieser Stelle eben auch gelten!

Ein deutlich nachhaltigerer Ansatz sind mehr bezahlbare Wohnungen, sind mehr öffentlich geförderte Wohnungen, sind mehr gemeinnützig bewirtschaftete Wohnungen. Aber was ist denn da Ihre Politik, die Politik der Bundesregierung? Ich sehe Herrn Seehofer gar nicht bei dieser sehr wichtigen Debatte. Das finde ich wirklich schade, aber das ist ja auch nichts Neues. In den letzten Jahren sind jährlich über 40.000 Sozialwohnungen aus der Bindung herausgefallen; die Tendenz bei dem Bestand ist weiter sinkend. Millionen Menschen hätten einen Anspruch auf Sozialwohnungen, bekommen aber keine.

Deswegen sagen wir als LINKE: Wer einen Anspruch auf eine Sozialwohnung hat, der sollte doch wenigstens Anspruch auf Wohngeld haben. Das wäre eine wirklich soziale Reform des Wohngeldes!

Vielen Dank!

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Die Wohnungsfrage ist die soziale Frage unserer Zeit. Doch statt sie anzugehen, werden Fehlentwicklungen systematisch politisch gefördert. Wohnungen sind zu reinen Spekulationsobjekten verkommen. Hohe Nachfrage und sogenannte Zwangssanierungen lassen die Mieten explodieren und zwar nicht nur in den Großstädten, sondern auch im Umland. Menschen werden aus jahrzentelang gewachsenen, sozialen Strukturen gerissen, gentrifzierte Viertel zu Soziotopen der Besserverdienenden. Wie konnte es soweit kommen? Warum unternimmt die Politik so wenig, um Mietenwahnsinn und Spekulation endlich zu stoppen? Und was muss getan werden, damit Wohnen endlich wieder bezahlbar wird? Caren Lay nimmt die deutsche Wohnungspolitik der letzten 20 Jahre schonungslos unter die Lupe, zeigt auf, wie und warum Deutschland zum Eldorado für Wohnungsspekulation werde konnte, und liefert provokante Ideen für eine soziale Wohnungspolitik, die wir so dringend brauchen.

Erschienen bei Westend / 160 Seiten Leseprobe

Über mich
Ich bin Bundestagsabgeordnete und Sprecherin für Mieten-, Bau- und Wohnungspolitik sowie für Clubpolitik.