Für lebhafte Innenstädte!

30.11.2020
Caren Lay, DIE LINKE: Für lebhafte Innenstädte!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn die AfD allen Ernstes eine Debatte zum Thema Innenstädte nutzt, um gegen die Maskenpflicht zu wettern, dann zeigt das nicht nur, dass Sie vom Thema keine Ahnung haben, sondern auch, dass Sie den Ernst der Lage in den Innenstädten nicht begriffen haben.

In Ihrem Antrag finden sich viele bürokratische Ausführungen zum Thema. Aber was in Ihren Anträgen, ehrlich gesagt, völlig fehlt, das sind die Menschen: Menschen, die wegen steigender Mieten und sinkender Einkommen um ihre Wohnungen und um ihre Geschäfte fürchten müssen. Weder in Ihren jetzigen noch Ihren vergangenen Anträgen waren Sie da aktiv. Sie haben sämtliche Anträge von uns Linken und auch den Grünen abgelehnt, in denen es um besseren Kündigungsschutz für Mieterinnen und Mieter ging, und auch die, die in der Coronakrise darüber hinausgingen. Sie sind gegen den sozialen Wohnungsbau, Sie sind gegen mehr Mieterrechte. Aber jetzt spielen Sie sich hier als Retter der Innenstädte auf? Das ist doch wirklich absurd.

Das Gleiche ist es übrigens beim Thema Gewerbemietrecht. Eine soziale Deckelung von Gewerbemieten lehnen Sie ab, ein Kündigungsmoratorium, selbst in der Krise, ganz genauso. Ihre Sorge gilt alleine den Vermieterinnen und Vermietern. Schön und gut, aber ohne die Menschen, die in diesen Häusern ein Geschäft betreiben, geht es ja wohl nicht.

Meine Damen und Herren, ich bin in Ihren Anträgen nicht nur über den „Heimatraum“ gestolpert, sondern auch über Ihre Formulierung „deutschen Einzelhandel“. Auch wenn die AfD es nicht gerne hört: Dort, wo wir noch lebendige Innenstädte haben, mit kleinen Läden und lokalem Einzelhandel, verdanken wir das nicht selten Migranteninnen und Migranten.

Was wären denn unsere Städte ohne den türkischen Einzelhändler oder den türkischen Schneider, ohne die vietnamesische Gemüsehändlerin? Was wären sie ohne den libanesischen Döner und die italienische Weinhandlung? - Ein ganzes Stück öder.

Um im Bild zu bleiben: Sie alle haben hier ihre Heimat gefunden, und das ist doch gut so.

Dass bei der AfD angekommen ist, dass die Einkaufszentren auf der grünen Wiese den Einzelhandel verdrängen, das freut mich; das finde ich gut. In der Konsequenz heißt das aber eben auch, nicht vor jedem Investor den Kniefall zu machen. Durch Spekulationen und Mietsteigerungen veröden die Städte. Aber das sehen Sie nicht.

Meine Damen und Herren, diese Miniänderung im Bauplanungsrecht, mehr Citymanager, das wird wirklich dem ernst der Lage überhaupt nicht gerecht.

Was wir als Linke fordern, ist ein Kündigungsmoratorium für die Dauer der Pandemie.

Wir brauchen ein soziales Gewerbemietrecht - jetzt und auch danach. Auch während der Pandemie muss die Absenkung der Mieten rechtssicher sein; das muss geschehen, damit kleine Läden die Pandemie überleben.

Zu guter Letzt. Der Bund muss die Kommunen finanziell unterstützen, damit sie ein gestärktes Vorkaufsrecht endlich wahrnehmen können.

Schließlich kann es nicht sein, dass Haushaltswarengeschäfte Steuern zahlen müssen, aber Amazon fast nicht. Damit erhalten die Onlinehändler einen weiteren Standortvorteil. Das kann nicht sein. Also lassen Sie uns die Steueroasen endlich schließen! Und: Make Amazon pay!

Vielen Dank.

 

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Die Wohnungsfrage ist die soziale Frage unserer Zeit. Doch statt sie anzugehen, werden Fehlentwicklungen systematisch politisch gefördert. Wohnungen sind zu reinen Spekulationsobjekten verkommen. Hohe Nachfrage und sogenannte Zwangssanierungen lassen die Mieten explodieren und zwar nicht nur in den Großstädten, sondern auch im Umland. Menschen werden aus jahrzentelang gewachsenen, sozialen Strukturen gerissen, gentrifzierte Viertel zu Soziotopen der Besserverdienenden. Wie konnte es soweit kommen? Warum unternimmt die Politik so wenig, um Mietenwahnsinn und Spekulation endlich zu stoppen? Und was muss getan werden, damit Wohnen endlich wieder bezahlbar wird? Caren Lay nimmt die deutsche Wohnungspolitik der letzten 20 Jahre schonungslos unter die Lupe, zeigt auf, wie und warum Deutschland zum Eldorado für Wohnungsspekulation werde konnte, und liefert provokante Ideen für eine soziale Wohnungspolitik, die wir so dringend brauchen.

Erschienen bei Westend / 160 Seiten Leseprobe

Über mich
Ich bin Bundestagsabgeordnete und Sprecherin für Mieten-, Bau- und Wohnungspolitik sowie für Clubpolitik.