Immobilienboom bei Parteispenden

Wie sich eine Branche politischen Einfluss beschafft

14.04.2021
Caren Lay

Lobbyismus und Korruption gibt es nicht erst seit der Maskenaffäre. Jährlich fließen großzügige Geldspenden von privaten Unternehmen in die Kassen der Parteien. Seit ein paar Jahren hat auch die Immobilienbranche die Einflussnahme auf die Politik durch üppige Spenden verstärkt. In Zeiten der schwächelnden Weltwirtschaft versprechen Immobilien weiterhin hohe Rendite. Lobbycontrol bezeichnete die Immobilienlobby deshalb bereits 2018 als „Aufsteiger des Jahres“. Eine umfangreichere Auswertung der Parteispenden der Immobilienwirtschaft liegt bislang allerdings nicht vor. Diese Aufgabe haben wir jetzt übernommen: Wir haben die auf den Rechenschaftsberichten und angezeigten Großspenden basierende Datenbank von Lobbypedia.de durchwühlt. Und ein Verdacht hat sich bestätigt: die Spendenaktivitäten von Bau- und Immobilienunternehmen haben in den letzten 20 Jahren deutlich zugenommen.

Alleine im Jahr 2020 flossen demnach mehr als 1,25 Millionen Euro von den Konten der Immobilienunternehmer auf die Konten der Parteien. Der Immobiliensektor machte somit erstmals den Löwenanteil der Parteispenden aus. Fast 80 % der Spenden an die CDU stammten im letzten Jahr aus der Branche. Die CDU kassierte durch Spenden der Baulöwen und Immobilienunternehmer  Christoph Gröner (800.000€), Christoph Alexander Kahl (300.000€), Dietmar Bücher (79.000€) und Wolfgang von Moers (70.000€) insgesamt 1,25 Millionen Euro. Aber auch die AfD ging nicht leer aus und erhielt 100.000€ vom Berliner Großunternehmen Christian Krawinkel.

Seit dem Jahr 2000 sind in Summe nach konservativer Rechnung insgesamt stolze 7,6 Millionen Euro Spenden aus den Bereichen Immobilien- und Bauunternehmen in die Politik gewandert. Auch über den ganzen Zeitraum betrachtet sind die Unions-Parteien mit einem Spendenaufkommen von insgesamt 5,4 Millionen Euro die ungeschlagenen Lieblinge der Immobilienunternehmen. Etwas abgeschlagen, aber immerhin noch mit 1,6 Millionen Euro bedacht, landet die FDP auf Platz 3. Auf Platz 4 und 5 finden sich SPD und AfD mit 406.500 € bzw. 157.500€. Die relativ hohe Spendensumme für die AFD ist umso bemerkenswerter, schließlich kommt die Partei erst seit vergleichsweise kurzer Zeit als Empfängerin von Spenden in Frage.  Bündnis 90/Die Grünen bilden das Schlusslicht  mit 15.000€. DIE LINKE nimmt ohnehin keine Unternehmensspenden an.

Das Spendenaufkommen ist im betrachteten Zeitraum kontinuierlich gestiegen. Lagen die Spenden aus dem Immobiliensektor im Jahr 2000 noch bei ca. 84.000 € oder 2001 sogar nur bei ca. 38.500 €, rissen sie 2020 zum ersten Mal die Grenze von mehr als einer Millionen Euro. Vier der fünf höchsten Spendeneinnahmen wurden innerhalb der letzten fünf Jahre verzeichnet.

Nichts desto trotz bleibt dieses Bild unvollständig. Zum einen müssen nur Parteispenden über 10.000 € angezeigt werden, was dazu führt, dass gerade scheue Spenderinnen und Spender ihre Zuwendungen stückeln und unterhalb der Wertgrenze halten. Großspenden wie etwa die des Immobilienunternehmers Christoph Alexander Kahl kamen z. B. erst sehr viel später ans Licht.  Zum anderen ist das Umgehen von Lobbyismus-Regelungen zu einer Art Kreativitäts­wettbewerb geworden. In der AfD-Spendenaffäre steht der Vorwurf im Raum, dass die beispielweise Wahlkampfhilfe von des Immobilienunternehmers Henning Conle durch Tranchieren der Summe und durch Strohmänner verschleierte – diese können in der Berechnung also auch nicht berücksichtigt werden. Ebenso nicht aufgeführt sind Partei­finanzierungen durch Sponsoring. Dies gilt inzwischen als beliebte Einflussnahme. Die Einnahmen sollen dabei teilweise über denen der Parteispenden liegen.

Mein Resüme: In den letzten Jahren haben die Geldgeschenke aus der Immobilien- und Baubranche einen immer größeren Anteil an den Parteispenden eingenommen. Bei der Union machen die Spenden aus der Immobilienwelt inzwischen den größten Anteil aus. Da muss man sich nicht wundern, dass die Regierung dank der Union immer wieder vor den Interessen der Immobilienwirtschaft einknickt, statt im Interesse der Mieterinnen und Mieter zu entscheiden. Unternehmensspenden an Parteien sollten grundsätzlich verboten werden. Nur so können wir sicher gehen, dass Politik unabhängig und nicht gekauft ist. Als ersten Schritt müssen alle Spenden, auch unterhalb der 10.000 Euro-Grenze angezeigt und Verstöße dagegen sanktioniert werden.

Gesamtspenden der Immobilienwirtschaft an Parteien von 2000-2020

CDU    3.573.517,31
CSU    1.862.611,11
FDP    1.621.317,80
SPD       406.500,00
AfD        157.500,00
Grüne      15.000,00
LINKE                   0

 

Datenquelle: https://lobbypedia.de/wiki/Parteispenden-Datenbank
Auswertung: Caren Lay (MdB)
Stand: 14.4.2021

Hinweise zur Methode:

Ausgewertet wurden die Daten aus der Partei-Spenden Datenbank von Lobbycontrol. Diese umfasst die Spenden aus den Rechenschaftsberichten der Parteien von 2000 bis 2018. Außerdem enthält sie die angezeigten Großspenden über 50.000€ für die Jahre 2019 und 2020.

Berücksichtigt wurden dabei alle Unternehmen im Immobilien- und Wohnungsbausektor. Nicht berücksichtigt wurden Unternehmen deren Hauptgeschäftsfeld im Tiefbau oder Straßenbau liegt. Ebenso wurden Unternehmen mit dem Schwerpunkt Baumaterialien und Logistik sowie Bausparkassen exkludiert. haben deutlich

Es handelt sich somit um eine eher konservative Berechnung.

 

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Erschienen bei Westend / 160 Seiten Leseprobe

Über mich
Ich bin Bundestagsabgeordnete und Sprecherin für Mieten-, Bau- und Wohnungspolitik sowie für Clubpolitik.