Scholz und die Immobilienlobby
Der geschäftsführende Finanzminister, Vize-Kanzler und womöglich baldige Kanzler der Bundesrepublik Deutschland traf sich häufiger persönlich zu Gesprächen mit der Immobilienlobby als der Bauminister und andere themenrelevante Ministerinnen und Minister. Vertreterinnen und Vertreter der großen Immobilienkonzerne und -Verbände erreichten in der vergangenen Legislaturperiode, über offizielle Anlässe hinaus, zahlreiche Gesprächstermine mit Ministerinnen und Ministern sowie Staatssekretärinnen und Staatssekretären bis hin zu Staatsministerinnen und Staatsministern des Kanzlerinnenamts. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf die Frage der mieten- bau- und wohnungspolitischen Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag, Caren Lay, hervor.
Selbst der scheidende Bauminister Seehofer traf sich, anders als Scholz, nicht zu persönlichen Gesprächen oder Telefonaten mit den Wohnungskonzernen oder ihren Verbänden. Seehofer beschränkte sich auf die Teilnahme an Gremiensitzungen mit Wohnungskonzernen. Seehofers Staatssekretärinnen und Staatssekretäre trafen sich allerdings auf 20 Gespräche und Telefonate mit Wohnungskonzernen und -verbänden.
Pikant ist, dass die Immobilienlobby auch einen direkten Draht in das Kanzlerinnenamt hatte. Fünf Mal konnte der Verband der Eigentümerinnen und Eigentümer „Haus & Grund“ mit Staatsminister Hoppenstedt sprechen. Der Bundesverband der Wohnungs- und Immobilienunternehmen „GdW“ traf sich zwei Mal mit Hoppenstedt und einmal mit Staatsministerin Widmann-Mauz.
Auch im SPD-geführten Justizministerium fanden Wohnungskonzerne und Immobilienverbände zuverlässig Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner. Zehn Gespräche mit Staatssekretärinnen und –sekretären fallen in die vergangene Regierungsperiode. Haus & Grund konnte sich zum persönlichen Gespräch sogar mit Ministerin Lambrecht treffen.
Heraussticht, dass Vonovia mit Abstand die meisten Gespräche mit hohen Regierungsvertreterinnen und –vertretern hatte. Es fällt auf, dass zusammen mit Deutsche Wohnen SE, die beiden größten börsennotierten Wohnungskonzerne deutlich mehr Gespräche mit der Regierung führte, als die etablierten Verbände der Wohnungsunternehmen GdW und ZIA.
Dazu erklärt Caren Lay:
„Es lässt nichts Gutes hoffen, dass SPD-Ministerinnen und Minister direktere Kontakte zur Immobilienlobby hatten, als ein CSU-Bauminister. Dass der Kanzler in spe, Olaf Scholz, besonders oft zu Gesprächen mit der Immobilienlobby bereit war, lässt nichts Gutes hoffen. Bis ins Bundeskanzlerinnenamt reichten die Gesprächskontakte der Immobilienverbände. Statt die Lobby zu hoffieren, braucht es endlich ein effizientes Vorgehen gegen Spekulation mit Wohnungen sowie einen Mietenstopp und Mietendeckel. Leider ist von einer Ampel-Regierung mietenpolitisch nur Stillstand zu erwarten.“