Der Koalitionsvertrag ist eine mietenpolitische Enttäuschung
Erste Auswertung des Koalitionsvertrags der Ampel im Bereich „Bauen und Wohnen“
Der von SPD, Grünen und FDP vorgelegte Koalitionsvertrag ist mietenpolitisch eine Enttäuschung. Sowohl in Bezug auf das Mietrecht, als auch in der Baugesetzgebung und der Bodenpolitik bleibt der Vertrag hinter den Erwartungen zurück. Mit den aufgeführten Maßnahmen wird sich die Mietenkrise als soziale Krise unserer Zeit nicht bekämpfen lassen. Eher ist zu befürchten, dass die Mieten in den Ballungszentren weiter steigen und die Verdrängung weiter zunimmt.
Zur Bewertung von Einzelmaßnahmen
1. Mietpreisregulierung
Anders als im Wahlprogramm der SPD angekündigt, enthält der Koalitionsvertrag keinen Mietenstopp. Auch die von den Grünen versprochene und dringend notwendige Nachbesserung der Mietpreisbremse ist nicht im Vertrag enthalten. Einen Mietendeckel für die Städte hatte im Wahlkampf ohnehin nur DIE LINKE gefordert. Lediglich die Verlängerung der bisherigen weitgehend wirkungslosen Mietpreisbremse und eine geringfügige Absenkung der Kappungsgrenze sind im Vertrag enthalten. Die Absenkung der Kappungsgrenze von 15% auf 11% innerhalb von drei Jahren bedeutet jedoch in angespannten Wohnungsmärkten weiterhin Mieterhöhungen von 3,6% pro Jahr, was für viele Mieter*innen schlichtweg nicht zu leisten ist. Die Mietpreisbremse wird darüber hinaus ein schwaches Instrument bleiben, da beispielsweise Mieter*innen gezwungen sind, ihre Rechte einzuklagen.
Außerdem soll der Betrachtungszeitraum des Mietspiegels von sechs auf sieben Jahre erweitert werden. Das ist grundsätzlich zu begrüßen. Da der Mietenanstieg in den Metropolen jedoch seit mindestens 10 Jahren läuft, wird diese Maßnahme am Grundproblem des Mietspiegels, ein Mieterhöhungsspiegel zu sein, nichts ändern. Insgesamt ist der Koalitionsvertrag in Sachen Mietpreisregulierung ungenügend.
2. Sozialer Wohnungsbau und Wohngemeinnützigkeit
Das Versprechen des Neubaus von 400.000 Wohnungen (davon 100.000 geförderte Wohnungen) pro Jahr soll wohnungspolitisches Aushängeschild des Koalitionsvertrags sein. In den 100.000 geförderten Wohnungen ist jedoch ausdrücklich auch eine Eigenheimförderung enthalten. Wie sich die 100.000 geförderten Wohnungen zwischen Sozialwohnungen und Eigenheimen aufteilen, lässt der Koalitionsvertrag offen. In der letzten Legislatur wurden Eigenheime dreimal stärker gefördert als Sozialwohnungen. Ob die Ampel das ändern will, ist aus dem Koalitionsvertrag nicht ersichtlich.
Eine gesetzliche Änderung der Förderbedingungen für den sozialen Wohnungsbau wird offenbar nicht kommen. Im alten Fördersystem zu verharren bedeutet jedoch, das Problem auslaufender Bindungen auch zukünftig fortzusetzen. Eine Möglichkeit zur Änderung des Fördersystems hätte darin bestanden, die Fördergelder für den sozialen Wohnungsbau nur noch gemeinnützigen Wohnungsunternehmen zu geben. Jedoch ist davon ist im Koalitionsvertrag keine Rede.
Begrüßenswert ist, dass SPD und Grüne gegen die FDP die Einführung einer neuen Wohngemeinnützigkeit durchsetzen konnten. Aufhorchen lässt jedoch die Ankündigung, die „etablierte Wohnungswirtschaft“ durch die Einführung einer neuen Wohngemeinnützigkeit nicht zu benachteiligen. Dabei wäre eine Bevorteilung der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft, etwa bei der Vergabe der Gelder des sozialen Wohnungsbaus und von Grundstücken, ein wichtiger Anreiz, damit Wohnungsunternehmen sich unter den Schirm der Gemeinnützigkeit stellen. Zudem ist weder eine Begrenzung auf die Kostenmiete noch die Höhe der Gewinndeckelung im Rahmen der Wohngemeinnützigkeit Teil des Koalitionsvertrags. Beides waren jedoch die Kernbestandteile der alten Gemeinnützigkeit. Es bleibt zu befürchten, dass die neue Wohngemeinnützigkeit eine wirkungslose Randerscheinung in der Wohnungspolitik bleiben wird.
3. Mieterschutz
In Bezug auf die Verbesserung des Mieter*innenschutzes bleibt der Koalitionsvertrag eine einzige Enttäuschung. Es sind keinerlei konkrete Einschränkungen bei Mietschulden- oder Eigenbedarfskündigungen und keine Maßnahmen gegen Zwangsräumungen aufgeführt. Der Begriff Gewerbemietrecht bleibt im Koalitionsvertrag gänzlich unerwähnt. Dies ist umso unverständlicher, als es eine wichtige Forderung von SPD und Grünen im Wahlkampf war. Die Tatsache, dass das Justizministerium an die FDP geht, lässt befürchten, dass in dieser Legislatur der Spielraum für mehr Mieter*innenschutz ungenutzt bleibt.
4. Spekulationsbekämpfung.
Völlig unzureichend ist der Koalitionsvertrag in Sachen Bodenpolitik. Er enthält keinerlei Maßnahmen gegen die Bodenpreisexplosion. Spekulative Gewinne oder generelle Bodenwertzuwächse sollen nicht der Allgemeinheit zugeführt werden, sondern verbleiben in privater Hand. Auch weitere wichtige Forderungen vieler Expert*innen, wie zum Beispiel einen Bodenfonds, die Erleichterung von Erbpacht oder wenigstens eine Enquetekommission zur Bodenpolitik werden im Koalitionsvertrag gänzlich außen vor gelassen.
Zudem konnten sich die Ampelparteien nicht über eine Streichung der Spekulationsfrist bei privaten Immobilienverkäufen einigen. Hier bleibt der Verkauf nach 10 Jahren steuerfrei. Auf der Habenseite steht hingegen die Absichtserklärung, die „illegale Finanzierung von Immobilien“ zu bekämpfen. Eine weitere Einschränkung der Geschäftspraxis großer Wohnungskonzerne plant die Ampelkoalition nicht.
Das Schließen der Gewerbesteuerlücke über Share Deals ist grundsätzlich begrüßen. Allerdings sollen die Einschränkungen bei den Share Deals nur zur Gegenfinanzierung des von der FDP geforderten Grunderwerbssteuerfreibetrags kommen.
5. Bau- und Wohnungsministerium
Die Einrichtung eines Bau- und Wohnungsministeriums ist grundsätzlich begrüßenswert, da es die gestiegene Bedeutung des Themas Wohnen zeigt. Dies war auch eine der Forderungen der LINKEN im Wahlkampf. Jedoch ist ein neues Ministerium kein Selbstzweck, sondern braucht ein gutes politisches Programm, das im Koalitionsvertrag leider fehlt. Die Mietgesetzgebung liegt zudem künftig in der Hand der FDP (Justizministerium). Streitigkeiten zwischen beiden Häusern dürften also vorprogrammiert sein.
6. Klimaschutz im Gebäudesektor
Wie der zur Klimaneutralität 2045 benötigte Bedarf energetischer Sanierung umgesetzt werden soll, bleibt im Koalitionsvertrag schleierhaft. Nicht benannt wird zudem, wie die energetische Sanierung sozialverträglich umgesetzt werden sollen. Ohne eine dauerhafte soziale Absicherung kann dieses Thema zu einem Pulverfass werden. Die Ankündigung zur Modernisierungsumlage bleibt vage, von einer Erhöhung der staatlichen Förderung bei der Sanierung ist keine Rede. Zudem soll der CO2-Preis fürs Heizen erst ab 01.06.2022 und nur zur Hälfte vom Vermieter übernommen werden, und auch das nur, wenn andere komplizierte Regelungsmöglichkeiten nicht greifen. Die Mieter*innen müssen also diesen Winter komplett und dann immer noch zur Hälfte die gestiegenen CO2-Preise zahlen. Die beabsichtigte Lenkungswirkung des CO2-Preises beim Heizen wird somit verfehlt. Ein Anreiz für energetische Sanierung wird nur unzureichend geschaffen. Der einmalige Heizkostenzuschuss ist eine begrüßenswerte Maßnahme. Allerdings bleibt der Koalitionsvertrag auch hier schwammig und sagt nichts über Auszahlungshöhe und -zeitpunkt.
7. weitere Maßnahmen im Koalitionsvertrag
Die Anhebung der Abschreibung bei Neubauten von zwei auf drei Prozent ist ein Geschenk an die Immobilienwirtschaft ohne Gegenleistung. Erstaunlich ist es erst recht, weil sowohl SPD als auch Grüne in der letzten Legislatur vehement gegen diese Abschreibungsmöglichkeiten waren.
Ein „Bündnis für bezahlbares Wohnen“ soll eingerichtet werden. Ein solches gab es bereits in der Zeit von 2014 – 2017, in der vergangenen Legislaturperiode dann den „Wohngipfel“. Was dabei nicht geschafft wurde ist ein Stoppen der Mietenkrise. Trotz Bündnisse und Gipfel steigen die Mieten weiter. Daher ist auch vom neuen Bündnis nicht viel zu erwarten.
Ein Aktionsplan gegen Wohnungslosigkeit ist grundsätzlich positiv zu bewerten, auch DIE LINKE fordert dies schon lange. Allerdings müssen darüber hinaus auch die Gründe für Wohnungslosigkeit besiegt werden. Und hier besteht – wie oben beschrieben – im Bereich des Mietrechts wenig Hoffnung, dass die Ampelkoalition Verbesserungen bringt. Im Bereich der Schonfristzahlungen sind Evaluierungen angekündigt, ohne dass der Koalitionsvertrag jedoch ein konkretes Bekenntnis zur Verbesserung abgibt. Ohne den Stopp von Zwangsräumungen ist das Problem der Wohnungslosigkeit zudem kaum in den Griff zu bekommen.
Die Ausgliederung nicht bahnnotwendiger Immobilien in die BImA und auch die angekündigte Bauoffensive der BImA sind richtige Schritte, bleiben jedoch ohne konkrete Vorgaben (S.89). Ob die Maßnahmen zur BImA Erfolg haben werden, wird zentral davon abhängen, ob sie wie bisher dem (nun FDP-geführten) Finanzministerium zugeordnet wird oder ins neue Bauministerium geht. In ersterem Fall landen die bundeseigenen Grundstücke bei der FDP und eine Privatisierungswelle ist nicht ausgeschlossen.
Die Ankündigungen zur Novellierung des Baugesetzbuchs bleiben absolut vage (S. 89f.). Die unerledigten Aufgaben der letzten Legislatur (schlupflochfreies Umwandlungsverbot, preislimitiertes Vorkaufsrecht) werden voraussichtlich auch in dieser Legislatur nicht angegangen. Insbesondere dramatisch ist, dass in Folge des Bundesverwaltungsgerichtsurteils vom 09. November keine schnelle Wiederherstellung des kommunalen Vorkaufsrechts in Milieuschutzgebieten geplant ist, sondern lediglich eine Prüfung auf gesetzgeberischen Handlungsbedarf im Koalitionsvertrag beschrieben ist. Positiv zu bewerten ist, dass der §13b BauGB nicht verlängert werden sollte. Allerdings wäre hier eine komplette Streichung angemessen.
Die Anerkennung für Clubs und Livespielstätten als kulturelle Orte ist begrüßenswert. Ebenso wie die damit in Zusammenhang stehende Anpassung der TA Lärm.
Die Ankündigungen zur Städtebauförderung sind zudem schwach und ohne erkennbare Schwerpunkte.
Insgesamt ist der Koalitionsvertrag der Ampelparteien enttäuschend. Es ist keinerlei Aufbruch gegenüber der Agenda der Großen Koalition erkennbar. Weiterer Druck von der Mietenbewegung ist notwendig. DIE LINKE. im Bundestag wird als einzig soziale Oppositionspartei ebenso Druck für eine bessere Mietenpolitik machen.