Sozialwohnungen: Die soziale Zeitbombe tickt

13.07.2022

Bundesweit gibt es nur noch rund 1,1 Millionen Sozialwohnungen. Ein historischer Tiefstand! Der Neubau ist im dritten Jahr in Folge zurückgegangen und liegt 2021 (ohne Ba-Wü) bei nur noch 17.500 neu gebauten Sozialwohnungen. Dies geht aus einer schriftlichen Frage von Caren Lay, wohnungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag, hervor.

Ministerin Geywitz hat versprochen, 100.000 Sozialwohnungen jährlich zu bauen.  Von dieser Zielmarke ist die Realität jedoch weit entfernt. Wurden 2018 noch 27.000, 2019 noch 25.500 und 2020 immerhin noch 23.000 Sozialwohnungen neu gebaut,  so sind es 2021 nur noch 17.500 gewesen (ohne Baden-Württemberg, das seine Zahlen nicht geliefert hat). Baden Württemberg hat in 2020 1.165 Sozialwohnungen neu gebaut. Wenn positiv davon ausgegangen wird, dass die Bautätigkeit im Ländle stabil bleibt, dann ergibt sich bundesweit ein Neubau von 18.600. Nach dieser Annahme ist die Bautätigkeit um über 4.400 Wohneinheiten und damit um fast ein Fünftel im Vergleich zum Vorjahr gesunken.

Auch die Gesamtzahl der Sozialwohnungen ist rückläufig. Wenn man positiv davon ausgeht, dass Baden-Württemberg seinen Bestand von 55.000 aus 2020 hält, dann ergibt sich ein Bestand von 1,105 Millionen Sozialwohnungen. Ende 2020 waren es noch 1,128 Millionen. Das wäre unterm Strich ein Minus von 23.000 Sozialwohnungen in einem Jahr. Dieser jährliche Rückgang kommt dadurch zustande, dass Sozialwohnungen „aus der Bindung fallen“, also ihren Status als Sozialwohnungen verlierenden und wieder frei am Markt vermietet werden können.

Nur sieben Bundesländer (Hamburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Bayern, Schleswig-Holstein, Thüringen, Hessen) legen beim Neubau 2021 gegenüber 2020 überhaupt zu. Nur Mecklenburg-Vorpommern, Hessen und Thüringen haben nennenswerte Neubauzuwächse. Hervorzuheben ist, dass Bremen zum ersten Mal seit Jahren wieder Sozialwohnungen baut. Eine positive Bilanz an Sozialwohnungen können dennoch nur sechs Länder vorweisen (Hamburg, Hessen, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein). Im Saarland und Sachsen-Anhalt werden weiterhin keine Sozialwohnungen neu gebaut. Der Zuwachs ist erklärlich durch Ankäufe von Belegungsbindungen.

"Die soziale Zeitbombe tickt", warnt Caren Lay: "Der Trend bei Sozialwohnungen führt weiter abwärts. Das ist fatal, denn Wohnen wird immer teurer und Haushalte mit geringen Einkommen finden oft keine bezahlbare Wohnung mehr. Die Zielmarke von 100.000 Sozialwohnungen ist mit der gegenwärtigen Verdoppelung der Bundesförderung nicht zu erreichen. Auch die in Aussicht gestellte Verdreifachung der Bundesförderung wird nicht ausreichen, um eine Verfünffachung der Neubauleistung bei steigenden Kosten zu stemmen. Für mehr Sozialwohnungen statt weniger, braucht es mindestens 10 Milliarden Bundesförderung jährlich. Außerdem muss das System auslaufender Bindungen endlich überwunden werden. Einmal Sozialwohnung immer Sozialwohnung das muss in Zukunft gelten."

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Die Wohnungsfrage ist die soziale Frage unserer Zeit. Doch statt sie anzugehen, werden Fehlentwicklungen systematisch politisch gefördert. Wohnungen sind zu reinen Spekulationsobjekten verkommen. Hohe Nachfrage und sogenannte Zwangssanierungen lassen die Mieten explodieren und zwar nicht nur in den Großstädten, sondern auch im Umland. Menschen werden aus jahrzentelang gewachsenen, sozialen Strukturen gerissen, gentrifzierte Viertel zu Soziotopen der Besserverdienenden. Wie konnte es soweit kommen? Warum unternimmt die Politik so wenig, um Mietenwahnsinn und Spekulation endlich zu stoppen? Und was muss getan werden, damit Wohnen endlich wieder bezahlbar wird? Caren Lay nimmt die deutsche Wohnungspolitik der letzten 20 Jahre schonungslos unter die Lupe, zeigt auf, wie und warum Deutschland zum Eldorado für Wohnungsspekulation werde konnte, und liefert provokante Ideen für eine soziale Wohnungspolitik, die wir so dringend brauchen.

Erschienen bei Westend / 160 Seiten Leseprobe

Über mich
Ich bin Bundestagsabgeordnete und Sprecherin für Mieten-, Bau- und Wohnungspolitik sowie für Clubpolitik.