1 Jahr ohne Vorkaufsrecht

02.12.2022
1 Jahr ohne Vorkaufsrecht

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist jetzt über ein Jahr her, dass das Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten vom Bundesverwaltungsgericht gekippt wurde. Seitdem haben zehn Städte eines der wenigen Mittel, das sie hatten, um gegen Spekulationen vorzugehen, verloren. Schlimmer noch: Die betroffenen Mieter/-innen stehen ohne Schutz vor Spekulation da.

Schon in den ersten neun Monaten nach dem Urteil konnte allein in München bei 42 Häusern mit fast 600 Wohnungen das Vorkaufsrecht nicht gezogen werden, obwohl es geplant war. In Berlin konnte der geplante Vorkauf von 2 070 Wohnungen nicht getätigt werden. Die tatsächlichen Zahlen sind möglicherweise noch höher. Hinzu kommt, dass viele soziale Vorgaben, also sogenannte Abwendungsvereinbarungen, jetzt ebenfalls beklagt werden und nachträglich für nichtig erklärt werden, weil die Gesetzesgrundlage, nämlich das Vorkaufsrecht, nicht mehr besteht. Das ist ein Damoklesschwert für Tausende von Mieterinnen und Mietern, die von solchen Abwendungsvereinbarungen profitiert haben.

Und die Koalition? Seit einem Jahr schaffen Sie es nicht, ein einziges Gesetz vorzulegen, bei dem nur zwei Paragrafen geändert werden müssen.

Viele Demonstrationen von Mieterinnen und Mietern auch hier vor dem Reichstag sind Ihnen offenbar egal. Die Proteste vieler Kommunen, die das anwenden wollen, sind Ihnen egal. Selbst wir als kleinste Oppositionsfraktion haben es geschafft, einen Gesetzentwurf hinzubekommen. Daran haben Sie herumgekrittelt, er sei nicht gut genug. Wir haben ihn korrigiert. Aber es sind alles nur Ausreden. In Wirklichkeit haben Sie es ein Jahr lang nicht auf die Reihe gekriegt, dieses Vorkaufsrecht wiederherzustellen. Das muss jetzt dringend passieren.

Ich weiß, dass SPD und Grüne es mit dieser FDP nicht leicht haben; aber es ist jetzt an der Zeit, sich nicht länger hinter dem Kreuz der FDP zu verstecken. Es wird höchste Zeit, das kommunale Vorkaufsrecht wiederherzustellen, und es wird höchste Zeit, dass der selbsternannte Kanzler für bezahlbares Wohnen das Vorkaufsrecht zur Chefsache erklärt und endlich ein Machtwort spricht im Interesse der Mieterinnen und Mieter.

Das Wonopoly muss beendet werden.

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Die Wohnungsfrage ist die soziale Frage unserer Zeit. Doch statt sie anzugehen, werden Fehlentwicklungen systematisch politisch gefördert. Wohnungen sind zu reinen Spekulationsobjekten verkommen. Hohe Nachfrage und sogenannte Zwangssanierungen lassen die Mieten explodieren und zwar nicht nur in den Großstädten, sondern auch im Umland. Menschen werden aus jahrzentelang gewachsenen, sozialen Strukturen gerissen, gentrifzierte Viertel zu Soziotopen der Besserverdienenden. Wie konnte es soweit kommen? Warum unternimmt die Politik so wenig, um Mietenwahnsinn und Spekulation endlich zu stoppen? Und was muss getan werden, damit Wohnen endlich wieder bezahlbar wird? Caren Lay nimmt die deutsche Wohnungspolitik der letzten 20 Jahre schonungslos unter die Lupe, zeigt auf, wie und warum Deutschland zum Eldorado für Wohnungsspekulation werde konnte, und liefert provokante Ideen für eine soziale Wohnungspolitik, die wir so dringend brauchen.

Erschienen bei Westend / 160 Seiten Leseprobe

Über mich
Ich bin Bundestagsabgeordnete und Sprecherin für Mieten-, Bau- und Wohnungspolitik sowie für Clubpolitik.