Wir waren schon mal weiter
In unserer Rubrik treffen wir Menschen zum Chat-Interview, die sich für faire Mieten engagieren. Dieses Mal: Politikerin Caren Lay (Die Linke), Autorin des Buches "Wohnopoly"
Tina Angerer: In Ihrem Buch zitieren Sie Franz Josef Strauß als Kronzeugen.
Caren Lay: Vor der Recherche wäre ich im Leben nicht drauf gekommen, dass ich mich mal auf Strauß berufen würde. Strauß hat 1970 angesichts der steigenden Bodenpreise gesagt, dass Gewinne aus Bodenbesitz nicht unbesteuert bleiben dürfen. Es ist erschreckend, dass Äußerungen wie die von Strauß oder auch von Konrad Adenauer heute fast schon als linksradikal gelten würden.
Tina Angerer: Hippie Adenauer?
Caren Lay: Das nicht gerade, aber die Debatten in den 1960ern und 1970ern waren erstaunlich progressiv. Unter Adenauer gab es faktisch einen Mietendeckel, in manchen Städten bis in die 1970er. Die Gemeinnützigkeit ist erst 1990 abgeschafft worden – ein großer Fehler. Ich möchte auch Konservativen oder Unentschiedenen zeigen, dass wir schon mal weiter waren. Hans-Jochen Vogel hat ja schon vor 50 Jahren eine Bodenrechtsreform angestoßen. Das Tragische daran: Was er damals geschrieben hat, ist aktueller denn je – denn bis heute ist da leider fast nichts passiert.
Tina Angerer: Lösen Stichworte wie Regulierung oder gar Enteignung Abwehrreflexe aus?
Caren Lay: Ja. Jeder noch so kleine Anstoß, den Mietmarkt zu regulieren, wird mit dem Sozialismusvorwurf belegt. Man huldigt dem heiligen Gott des freien Marktes, macht den Mittelschichten Angst – und suggeriert, dass wir Oma Else das Haus wegnehmen wollen.
Tina Angerer: Was würden Sie Oma Else gerne sagen?
Caren Lay: Dass sie nicht unser Feind ist. Es geht nicht darum, sich an privaten Hausbesitzern oder Kleinvermietern abzuarbeiten. Ich plädiere für ein Mitte-Unten-Bündnis. Dank unseres ungerechten Steuerrechts ist es heute ja so, dass Oma Elses Häuschen womöglich draufgeht, wenn sie ins Altenheim muss – und verkauft wird es dann an die, die mit Immobilien spekulieren und keine Steuern zahlen. Meines Erachtens hat Immobilienspekulation einen erheblichen Anteil daran, dass die Gesellschaft so gespalten ist.
Tina Angerer: An Immobilienspekulant*innen haben Sie im Namen der Mieter*innen ja auch eine Botschaft. Welche?
Caren Lay: Wir haben Eigenbedarf!