Historisches Sündenregister
Artikel von Thomas Gesterkamp in DP - Das Magazin der Gewerkschaft der Polizei, Ausgabe 12/22
Monopoly heißt das Spiel, mit dem schon Heranwachsende lernen, die Regeln der Marktwirtschaft einzuüben. Caren Lay, wohnungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Deutschen Bundestag, nennt ihr Buch daher „Wohnopoly”. Die auch jenseits von Parteigrenzen anerkannte Expertin zieht eine schonungslose Bilanz der Versäumnisse der letzten Jahrzehnte. Die Wohnungsfrage sei die soziale Frage unserer Zeit, lautet ihre Kernthese.
Nach Finanzkrise und Euroturbulenzen wurden Immobilien in Deutschland zu Spekulationsobjekten. Caren Lay analysiert die historischen Ursachen der Misere. Sie beschreibt, wie die Kabinette unter Helmut Kohl den sozialen Wohnungsbau vernachlässigten, wie die rot-grüne Koalition unter Gerhard Schröder liberalisierte und privatisierte, eine ganze Branche dem sogenannten freien Wettbewerb überließ. Sie erinnert in ihrem „Sündenregister” daran, dass „viele der Instrumente, die wir heute brauchen, schon mal da waren”. Mietpreisregulierungen zum Beispiel gab es bereits in der Weimarer Republik. Bis in die 1960er-Jahre hinein wurden sie, unter der CDU-Regierung von Konrad Adenauer, auch in Westdeutschland praktiziert; im Osten waren sie sowieso selbstverständlich.
Der „Mietendeckel” in Berlin ist also keineswegs eine sozialistische Erfindung, wie die Interessenvertretungen der Wohnungswirtschaft behaupten. Die politische Einflussnahme großer Immobilienunternehmen ist ein zentrales Thema des Buches. Allein im direkten Umfeld der Bundesregierung arbeiten 144 hauptamtliche Lobbyisten zum Thema, sie verfügen über ein Budget von über acht Millionen Euro. Beim Deutschen Mieterbund sind es gerade mal vier professionelle Akteure.
In dieser „Bubble, in der sich die politische Klasse bewegt”, so Lay, „werden Studien, Gutachten und Argumentationshilfen erstellt”. Auf Veranstaltungen, bei Abendessen oder Frühstücken im Regierungsviertel sind Abgeordnete den Argumenten der Branche ständig ausgesetzt. „Es ist schwierig, sich nicht vereinnahmen zu lassen und den eigenen Kurs zu halten”, weiß die Autorin aus eigener Erfahrung.
Viele Details, über die Lay schreibt, sind Fachleuten schon lange geläufig. Für andere Interessierte aber bietet sie eine quellenbasierte und mit klaren Thesen gespickte Zusammenfassung. Am Ende skizziert sie in einem „Mietenmanifest” Auswege und alternative Konzepte. Sie verlangt die Ankurbelung des nahezu eingestellten gemeinnützigen Wohnungsbaus, ruft zur Gründung von Genossenschaften auf und fordert eine drastische Besteuerung der Spekulation. Vor allem drängt sie auf eine breite Kooperation aller, die etwas ändern wollen: „Ohne Druck von unten geht es nicht.”