Bundesregierung muss Verbraucherpolitik mehr Bedeutung beimessen
Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Den überaus geringen Stellenwert, den die Verbraucherpolitik bei der Koalition hat, können wir sehr schön an dieser Debatte ablesen.
Der Kollege Bleser von der CDU/CSU-Fraktion spricht neun Minuten zur Landwirtschaft und sagt dann, nachdem die Redezeit abgelaufen ist, zur Verbraucherpolitik noch wenige Sätze.
(Georg Schirmbeck (CDU/CSU): Meine Rede kommt gleich noch! Wir haben noch etwas in Reserve!)
- Ich bin sehr gespannt, ob noch etwas nachkommt. Das wäre ja auch notwendig, auch diesem Haushalt.
Dieser Ansatz hat sich auch beim Haushalt durchgesetzt. Von dem Gesamtvolumen, das wir im Haushalt dieses Ministeriums haben, sind gerade einmal 3 Prozent für die Verbraucherpolitik vorgesehen.
Wenn wir berücksichtigen, dass ein Großteil der Mittel im Grunde für Bundeseinrichtungen fest gebunden ist, dann bleibt gerade einmal 1 Prozent übrig, das für die unmittelbare Verbraucherarbeit ausgegeben werden kann.
Die FDP hat sich offensichtlich zum Ziel gesetzt: Verbraucherpolitik ist gut, darf aber nichts kosten. Sie ist dann effektiv, wenn die Mittel dafür besonders gering sind.
Damit hat sich die FDP im Prinzip durchgesetzt; denn es bleiben gerade einmal schlappe 50 Millionen Euro für verbraucherpolitische Maßnahmen und die Förderung der Verbraucherorganisationen. 50 Millionen Euro stehen in gar keinem Verhältnis zu den Milliarden, die Sie ganz schnell lockermachen können, wenn es darum geht, Bürgschaften zur Bankenrettung auszusprechen.
Ich sage Ihnen ganz klar: Das ist ein Missverhältnis. Das wollen wir angehen. Das können wir als Linke so auch nicht stehen lassen. Jeder Euro, den Sie an der falschen Stelle sparen, müssen die Verbraucherinnen und Verbraucher in Milliardenhöhe bezahlen.
Die Verbraucherinnen und Verbraucher verlieren pro Jahr 20 bis 30 Milliarden Euro alleine durch Falschberatung in der Geldanlage. Das sollte für uns Anlass sein, endlich für eine bessere Finanzberatung einzutreten. Wir als Linke fordern seit langem Mittel für den Ausbau der finanziellen Verbraucherberatung. Das ist in der Tat notwendig, und das wäre auch gut eingesetztes Geld.
Frau Ministerin Aigner, ich muss Ihnen leider sagen: Ihren Ruf als Ankündigungsministerin werden Sie mit Ihrer Rede heute und auch mit diesem Haushalt leider nicht loswerden.
Die Frage ist, wann Ihren ganzen Ankündigungen, Ihren ganzen Sprechblasen nun endlich Taten folgen werden. Sie wollten beispielsweise die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zur Verbraucherschutzbehörde ausbauen. Damit haben Sie sogar Wahlkampf gemacht. Das ist übrigens eine Forderung, der wir uns als Linke anschließen können. Es müsste aber irgendwann auch etwas daraus werden. Zwei Jahre nach der Lehman-Pleite kann man doch wohl erwarten, dass endlich die Finanzmärkte im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher reguliert werden.
Ein anderes Beispiel. Sie wollten durch die Verhängung von Kartellstrafen vereinnahmte Mittel für den Aufbau einer Stiftung für Verbraucherarbeit verwenden. Im März stimmte jedoch im Haushaltsausschuss Ihre eigene Partei dagegen. Da fragt man sich natürlich, ob die Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU die Pressemitteilungen der eigenen Ministerin lesen. Ansonsten könnte man sich nämlich diesen Widerspruch in der Tat nicht erklären.
Viele Menschen fragen sich nach einem Jahr schwarz-gelber Koalition, was diese Regierung zusammenhält. Mir fällt nur eine Antwort dazu ein, nämlich eine konsequente Klientel- und Lobbypolitik. Das zeigt sich auch in diesem Haushalt, und das zeigt sich in der Verbraucherpolitik. Selbst im Verbraucherschutzministerium macht sich offensichtlich regelmäßig die Industrielobby stark, anstatt dass die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher konsequent verfolgt werden.
Ein prominentes Beispiel ist die Nährwertampel bei Lebensmitteln. Das ist eine wichtige Maßnahme, um das Problem des Übergewichts bei Kindern zu bekämpfen. Die Expertinnen und Experten sind dafür. Auch die Kinderärzte haben sich dafür ausgesprochen. Die Industrie möchte das aber nicht. Deswegen macht es Schwarz-Gelb nicht.
Nehmen wir als ein weiteres Beispiel: das Verbraucherinformationsgesetz. Auch in diesem Fall liegt ein Missverhältnis vor. Dieses Gesetz schützt letztendlich an vielen Stellen eher die Industrie vor den Nachfragen der Bürgerinnen und Bürger, als dass es Transparenz ermöglicht. Ich bin sehr gespannt, wann Sie einen entsprechenden Gesetzentwurf hierzu vorlegen und ob Sie den Mut haben, das endlich umzukehren. Die Vorlage des Haushalts hätte die Möglichkeit geboten, eine entsprechende Informationskampagne durchzuführen.
Medienpräsenz allein macht noch keine gute Politik. Es wäre wichtig gewesen, auch die Themen, Frau Ministerin, die Ihnen offensichtlich am Herzen liegen ‑ Google Street-View, Facebook etc. ‑, in diesem Haushalt zu verankern. Ein entsprechender Gesetzentwurf hierzu ist notwendig. Wenn man sich das nicht traut, so ist zumindest eine Aufklärungskampagne geboten, damit junge und alte Internetnutzer lernen können, wie sie sich und ihre Daten bei Facebook und Co. schützen können.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Verbraucherpolitik können wir nicht nur im Interesse der Wohlhabenden machen. Wir sollten insbesondere diejenigen in den Blick nehmen, die sich keinen Anwalt leisten können und für die beispielsweise eine unabhängige und kostenfreie Beratung viel wert ist.
Wenn jeder Haushalt in Deutschland nur ein einziges Mal eine unabhängige Finanzberatung in den Verbraucherzentralen in Anspruch nehmen wollte, würde das nach der bisherigen Finanzausstattung 30 Jahre lang dauern, bis er an die Reihe kommt. Das ist eine Situation, die wir nicht länger akzeptieren können. In diesem Bereich müssen wir dringend nachbessern. Wir brauchen mehr Geld für die Verbraucherpolitik und insbesondere auch für den finanziellen Verbraucherschutz. Das werden wir im Ausschuss diskutieren. Ich bin sehr gespannt, wie Sie sich dazu verhalten werden.
Vielen Dank.