Smarte Städte müssen soziale Städte sein!

21.04.2023
Smarte Städte müssen soziale Städte sein!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein Klick auf dem Smartphone, und man kann auf einen Blick sehen, wie man in einer fremden Stadt am schnellsten und umweltfreundlichsten von A nach B kommt. Das ist wunderbar. In Barcelona sorgen 20 000 Sensoren dafür, schnell einen freien Parkplatz zu finden.

Ja, man kann sogar auf den ersten Blick sehen, wie der Füllstand sämtlicher städtischer Mülleimer ist. Also, wer träumt nicht davon?

Keine Frage, meine Damen und Herren, Smart Cities haben Potenziale, wenn sie richtig gemacht sind. Doch internationale Tech-Konzerne wittern schon längst die nächste große Chance und das nächste große Geschäft. Sie verkaufen Kommunen All-inclusive-Pakete für viel Geld und für ihre Daten, die eine wichtige Währung im digitalen Zeitalter sind. Den nächsten Ausverkauf der Stadt oder unserer Daten an internationale Konzerne brauchen wir nicht.

Smart Cities dürfen nicht zur neuen Datenkrake werden oder zu einer Lizenz zum Gelddrucken für Großkonzerne.

Was wir stattdessen brauchen, sind intelligente Lösungen in den Händen der Kommunen selbst. Barcelona gehört die städtische technologische Infrastruktur selbst. Die Stadt bietet auch die technologischen Dienstleistungen selber an. Open Source, Open Data, Bürger/-innenbeteiligung sind hier selbstverständlich.

Solche Strategien der Kommunen können und sollten wir unterstützen, auch finanziell. Dafür können wir auch gerne die Modellprojekte ausweiten.

Doch was wir bei allem nicht vergessen dürfen: 20 Prozent der armen Menschen haben gar keinen Internetanschluss. Selbst in der mittelalten Gruppe der 65- bis 74-Jährigen ist jeder sechste komplett offline. Nicht jeder ist ein Digital Native.

Auch für sie müssen wir sorgen, damit sie sich zurechtfinden. Das Recht auf Teilhabe muss auch für Menschen gelten, die kein iPhone besitzen.

Schließlich brauchen Smart Cities auch ein Netz. Allein in Sachsen gibt es 24 000 sogenannte weiße Flecken, also Gebiete ohne schnelles mobiles Internet. In meinem Wahlkreis Bautzen gibt es viele Gewerbegebiete, die noch keinen Breitbrandanschluss haben. Also, hier ist doch an Smart Region überhaupt nicht zu denken. Ich finde es schon etwas bizarr: Die Union hat im Bund 16 Jahre regiert und in Sachsen über 30 Jahre. Und jetzt, nach einem Jahr in der Opposition, sagen Sie: Das muss schneller vorangehen. - Pardon, wo waren Sie denn die ganze Zeit?

Schließlich muss eine smarte Stadt auch eine soziale Stadt sein. Was bringt das intelligenteste Netzwerk, wenn sich Normalverdiener/-innen das Wohnen nicht mehr leisten können? Der Mietenwahnsinn und die Wohnungsnot sind auf dem Höhepunkt. Doch innerhalb der Ampel gibt es Koalitionsknatsch bei allen Maßnahmen: Fehlanzeige beim Vorkaufsrecht, bei sozialem Mietrecht, bei der Wohnungsgemeinnützigkeit. Ich frage mich die ganze Zeit - Sie erinnern sich an die Großflächen -, wo denn eigentlich unser selbsternannter Kanzler für bezahlbares Wohnen geblieben ist. Er hat sich in die Büsche geschlagen, und das finde ich wirklich beschämend.

Vielen Dank.

Buchempfehlung:
Buchcover

Die Wohnungsfrage ist die soziale Frage unserer Zeit. Doch statt sie anzugehen, werden Fehlentwicklungen systematisch politisch gefördert. Wohnungen sind zu reinen Spekulationsobjekten verkommen. Hohe Nachfrage und sogenannte Zwangssanierungen lassen die Mieten explodieren und zwar nicht nur in den Großstädten, sondern auch im Umland. Menschen werden aus jahrzentelang gewachsenen, sozialen Strukturen gerissen, gentrifzierte Viertel zu Soziotopen der Besserverdienenden. Wie konnte es soweit kommen? Warum unternimmt die Politik so wenig, um Mietenwahnsinn und Spekulation endlich zu stoppen? Und was muss getan werden, damit Wohnen endlich wieder bezahlbar wird? Caren Lay nimmt die deutsche Wohnungspolitik der letzten 20 Jahre schonungslos unter die Lupe, zeigt auf, wie und warum Deutschland zum Eldorado für Wohnungsspekulation werde konnte, und liefert provokante Ideen für eine soziale Wohnungspolitik, die wir so dringend brauchen.

Erschienen bei Westend / 160 Seiten Leseprobe

Über mich
Ich bin Bundestagsabgeordnete und Sprecherin für Mieten-, Bau- und Wohnungspolitik sowie für Clubpolitik.