"Gesetzlicher Mindestlohn noch in dieser Wahlperiode"

01.11.2010
"Gesetzlicher Mindestlohn noch in dieser Wahlperiode"

Der gesetzliche Mindestlohn ist der richtige Schlüssel

Einen schönen guten Tag und ein herzliches Willkommen zu unserer Pressekonferenz. Ich möchte zunächst Frau Dilma Rousseff herzlich zu ihrem klaren Wahlsieg bei den Präsidentschaftswahlen in Brasilien gratulieren. Sie setzte sich in einer Stichwahl mit über 55 Prozent klar durch. Wir begrüßen es, dass nun erstmals eine Frau Brasilien regiert. Wir freuen uns besonders, weil wir als Partei DIE LINKE mit der brasilianischen Arbeiterpartei PT freundschaftliche und solidarische Beziehungen unterhalten. Vor allem betrachten wir diesen Sieg auch als eine Chance, die demokratische und soziale Entwicklung Brasiliens weiter voranzubringen.

Ich möchte mich nun zur Debatte um höhere Löhne äußern, die jetzt auch Herr Brüderle aufgenommen hat. Gleichzeitig lehnt Herr Brüderle jede aktive Rolle des Staates bei der Lohnpolitik ab und hält gesetzliche Mindestlöhne nachwievor für ein Tabu. Das ist wirklich absurde Politik. Wir haben eine Situation, in der Unternehmen auf der einen Seite 20 Prozent Gewinne machen und den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern etwa 2 Prozent mehr Löhne anbieten. Das steht in keinem Verhältnis. Wir setzen uns als LINKE deswegen für einen gesetzlichen Mindestlohn ein. Wir wollen, dass ein gesetzlicher Mindestlohn noch in dieser Legislaturperiode eingeführt wird. Wenn es Herr Brüderle mit seinen Ankündigungen ernst meint, dann muss er jetzt die Debatte um den gesetzlichen Mindestlohn aufgreifen. Wir sagen, gute Löhne sind auch eine Frage guter Gesetze. Wir betrachten die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns auch deswegen für dringend notwendig, weil – wie Sie wissen – am 1. Mai 2011 der Arbeitsmarkt weiter nach Osteuropa geöffnet wird. Das begrüßen wir prinzipiell. Wir sagen aber, wenn die Öffnung der Arbeitsmärkte nicht mit der Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes einhergeht, dann wird sich die Lohnspirale weiter nach unten drehen. Dann werden wir uns noch weiter auf eine soziale Talfahrt begeben. Ich sage das auch ganz deutlich im Hinblick auf den anstehenden Integrationsgipfel. Ohne einen gesetzlichen Mindestlohn wird sich der Unmut der Bevölkerung über niedrige Löhne ungerechtfertigter Weise auf osteuropäische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer konzentrieren. Das muss die Politik verhindern, und deswegen ist der gesetzliche Mindestlohn hier der richtige Schlüssel.

Ich möchte mich zweitens zur Debatte um Steuersenkungen äußern. Kaum zeichnen sich Verbesserungen auf der Einnahmeseite ab, meldet sich notorisch der Steuersenker FDP zu Wort. Das ist eine Gespensterdebatte, die wirklich beendet werden muss. Man muss immer wieder daran erinnern, wem die Steuersenkungen der FDP zu Gute kommen. Das sind Gut- und Besserverdienende, Vermögende und Konzerne, die von den Steuersenkungsmodellen der FDP profitieren. Es ist schlichtweg unverschämt, wenn auf der einen Seite der Staat Milliarden im Sozialetat spart, wenn er Milliarden auf Kosten von Erwerbslosen und jungen Familien, auf Kosten von Alleinerziehenden spart und gleichzeitig über Steuersenkungen für Besserverdiende diskutiert. Wir als LINKE sagen, einen armen Staat zu regieren ist wie eine Schlittenfahrt. Egal, in welche Richtungen es geht, es geht immer abwärts. Wir als LINKE, als Partei der demokratischen Erneuerung, wollen auch einen handlungsfähigen Staat haben. Deswegen müssen wir auch die Einnahmeseite konsolidieren. Deshalb hat der Parteivorstand am Wochenende auch die Kampagne von ver.di unterstützt, die die Einführung einer Vermögenssteuer zum Gegenstand hat. Wir als LINKE unterstützen die Kampagne von ver.di: Vermögenssteuer jetzt! Handlungsfähigkeit wieder herstellen, heißt für uns, die Einnahmeseite muss konsolidiert werden. Wir brauchen einen höheren Spitzensteuersatz, eine Vermögenssteuer für Millionäre, eine Reform der Erbschaftssteuer und natürlich auch eine Umsatzsteuer auf Börsenspekulationen. Das ist die Debatte, die wir in Deutschland führen müssen und nicht eine Scheindebatte um Steuersenkungen.

Meine Damen und Herren, der SPIEGEL hat am Wochenende vorab aus dem Regierungsbericht zur Lage der älteren Beschäftigten am Arbeitsmarkt berichtet. Ich möchte dies zum Anlass nehmen, um unsere Positionen zur Rente ab 67 zu wiederholen. Überaschenderweise geht die Regierung hier wiederum davon aus, an der Rente ab 67 festzuhalten. Wenn diese durchgesickerten Einschätzungen tatsächlich aus dem Regierungsbericht stammen, dann handelt es sich bei diesem Werk um nichts anderes, als um amtliche Schönfärberei. Die öffentlich zugänglichen Fakten zur Rente ab 67 sprechen ein völlig anderes Bild. Nicht einmal jeder zehnte Beschäftigte war im Jahr 2008 mit 64 Jahren noch sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Das geht aus einer Anfrage der LINKEN hervor. Oder nehmen wir selbst den offiziellen Arbeitsmarktbericht für Oktober. Auch er zeichnet ein dramatisches Bild. Die Arbeitslosenquote der 55- bis 64-Jährigen liegt rund 20 Prozent über dem Durchschnitt. Es ist völlig absurd, angesichts dieser Zahlen ernsthaft über die Einführung der Rente ab 67 zu diskutieren. Die Rente ab 67 ist und bleibt eine brutale Rentenkürzung. Wir werden noch in diesem Jahr im Bundestag hierzu abstimmen lassen. Wir wollen die Rente ab 67 stoppen und werden dem Bundestag dazu mehrere Anträge vorlegen. Natürlich wollen wir als LINKE einen vollständigen Stopp dieses Irrsinns. Wir sind für jeden Kompromiss zugunsten der Betroffenen gesprächsbereit. Deshalb haben wir einen Gesetzentwurf für eine Verschiebung um vier Jahre eingebracht, der ebenfalls noch in diesem Jahr zur Abstimmung gestellt wird. Wir wissen, dass die SPD von der Rente ab 67 abrückt. Wir nehmen auch die Debatte in der Union zu diesem Thema zur Kenntnis. Wir denken, parlamentarische Mehrheiten für eine Verschiebung der Rente ab 67 sind vorhanden. Wir wollen diese Chance nutzen.

Meine Damen und Herren, angesichts der aktuellen Diskussion zum Thema Paketbomben und Sicherheit auch noch einige Worte von meiner Seite. Die Sprengstofffunde Ende vergangener Woche haben eine neue Sicherheitsdebatte ausgelöst. Aus unserer Sicht müssen wir jetzt vor allem eine Debatte darüber führen, ob ausreichendes Personal an den Flughäfen vorhanden ist, ob dieses Personal gut ausgebildet ist und vor allem auch, ob dieses Personal unabhängig und neutral hier im Interesse der Sicherheit agieren kann. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass sich die Menschen deutlich sicherer fühlen, wenn Polizisten und ausgebildete Sicherheitsexperten des Staates auch für die Sicherheit im Frachtverkehr sorgen, als wenn die Fracht vom Sicherheitspersonal privater Firmen kontrolliert wird. Es gilt, für die Flugsicherheit ausreichendes, qualifiziertes und natürlich auch gut bezahltes Personal zur Verfügung zu stellen. An dieser Stelle fehlt im Moment jeder Überblick. Niemand weiß, wie dicht die Kontrollen sind und wie genau von wem kontrolliert wird. Diesen Überblick muss sich der Innenminister schnellstmöglich schaffen. Dann müssen wir schnellstmöglich über die Konsequenzen diskutieren. Gut ausgebildetes Personal ist für uns der Schlüssel, um die Sicherheit an den Flughäfen weiter zu erhöhen.

Meine Damen und Herren, ich möchte noch auf Ergebnisse der Tagung des Parteivorstandes vom vergangenen Wochenende eingehen. Wir haben selbstverständlich zum Thema Stuttgart 21 beraten. Im Parteivorstand war ein Aktivist der Bewegung gegen Stuttgart 21 zu Gast. Der Parteivorstand der LINKEN begrüßt, dass eine aktive neue Bürgerinnen- und Bürgerbewegung entsteht. Die Defizite des politischen Systems, aber auch die Arroganz der Mächtigen tritt in dem Konflikt um das ProjektStuttgart 21 deutlich zutage. Es werden immer mehr Entscheidungen an den Bürgerinnen und Bürgern vorbei getroffen. Aus diesem Grunde haben wir erneut über unsere Forderungen zur Verbesserung der direkten Demokratie beraten. Wir denken, mehr Demokratie ist die Kernaussage, mehr Demokratie ist die Antwort auf Stuttgart 21. Der Parteivorstand wird sich in seinen Arbeitsgruppen auch mit diesem Thema beschäftigen und Vorschläge zur Verbesserung der direkten Demokratie erarbeiten.

DIE LINKE führt ebenso die Debatte zur ihrer Strategie konstruktiv fort. Wir sind uns einig: DIE LINKE muss sich mit eigenem Profil präsentieren. Sie wird eigene Reformalternativen stärker in den Vordergrund stellen. Die Abstimmung über die Wahlstrategie wird dann auf der Dezember-Sitzung des Parteivorstandes erfolgen. Bis dahin wird die Wahlstrategie auch mit dem Papier der beiden Parteivorsitzenden und des Fraktionsvorsitzenden abgeglichen.

Wir haben außerdem eine AG Vergütung am Wochenende eingerichtet. Es hat hierzu einen einstimmigen Beschluss gegeben. Diese AG hat die Aufgabe, die Maßstäbe für die Vergütung festzulegen.

Ich möchte Sie abschließend darauf aufmerksam machen und natürlich auch herzlich zum Programmkonvent der LINKEN einladen, der am kommenden Sonntag in Hannover stattfinden wird. Die Anmeldungen zum Programmkonvent der LINKEN sind etwa drei- bis viermal so groß, wie wir es ursprünglich gedacht haben. Wir rechnen also mit einer Veranstaltungsteilnahme von über 800 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Das übertrifft alle unsere Erwartungen. Wir freuen uns außerordentlich, dass das Interesse unserer Mitgliedschaft an inhaltlicher Diskussion sehr groß ist. Wir erwarten eine durchaus kontroverse Diskussion, auch anhand von Streitfragen. Aber wir hoffen natürlich auch sehr auf eine konstruktive Debatte in unserer Mitgliedschaft. Inhaltliche Kontroversen haben der LINKEN noch nie geschadet, solange klar ist, dass es im Kern darum geht, um die besten Lösungen für die Menschen zu ringen. Deswegen ist dieser Programmkonvent ein hervorragender Anlass, über Politik und über die Inhalte der LINKEN zu diskutieren. Ich darf ankündigen, dass wir auf diesem Programmkonvent auch den Testlauf für eine internetbasierte Programmdebatte starten. Auch DIE LINKE möchte diese demokratischen Räume nutzen, die das Internet bietet. Das ermöglicht sehr vielen Menschen, sich in inhaltliche Diskussionen einzubringen. Insofern freue ich mich sehr, dass wir als LINKE jetzt mit diesem innovativen Instrument eine internetbasierte Programmdebatte eröffnen können.

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Buchcover

Die Wohnungsfrage ist die soziale Frage unserer Zeit. Doch statt sie anzugehen, werden Fehlentwicklungen systematisch politisch gefördert. Wohnungen sind zu reinen Spekulationsobjekten verkommen. Hohe Nachfrage und sogenannte Zwangssanierungen lassen die Mieten explodieren und zwar nicht nur in den Großstädten, sondern auch im Umland. Menschen werden aus jahrzentelang gewachsenen, sozialen Strukturen gerissen, gentrifzierte Viertel zu Soziotopen der Besserverdienenden. Wie konnte es soweit kommen? Warum unternimmt die Politik so wenig, um Mietenwahnsinn und Spekulation endlich zu stoppen? Und was muss getan werden, damit Wohnen endlich wieder bezahlbar wird? Caren Lay nimmt die deutsche Wohnungspolitik der letzten 20 Jahre schonungslos unter die Lupe, zeigt auf, wie und warum Deutschland zum Eldorado für Wohnungsspekulation werde konnte, und liefert provokante Ideen für eine soziale Wohnungspolitik, die wir so dringend brauchen.

Erschienen bei Westend / 160 Seiten Leseprobe

Über mich
Ich bin Bundestagsabgeordnete und Sprecherin für Mieten-, Bau- und Wohnungspolitik sowie für Clubpolitik.