Verbraucherinteressen müssen Vorrang vor Finanzlobby haben
Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Verbraucherschutz auf den Finanzmärkten ist dringend notwendig. Viele Kleinanleger haben in der Finanzkrise ihr mühsam erspartes Geld verloren. Sie verlieren bis jetzt durch Falschberatung jährlich 20 bis 30 Milliarden Euro. Es sind noch immer zweifelhafte Finanzprodukte auf dem Markt. Noch immer werden Kreditnehmer mit undurchsichtigen Verträgen oder auch durch überhöhte Dispozinsen abgezockt. Das alles gibt es noch, und das zwei Jahre nach der Pleite der Bank Lehman Brothers. Hier hat die Bundesregierung tatsächlich viel zu lange gewartet, um einen Gesetzentwurf vorzulegen. Welche Vorschläge macht uns die Regierung jetzt? Ein großer Wurf ist das nicht, vielmehr ein Katalog mit Minimaländerungen.
Beginnen wir mit dem Infoblatt. Nachdem die Verbraucherministerin Aigner mit dem freiwilligen Beipackzettel offenbar gescheitert ist, wird uns jetzt ein gesetzlich festgeschriebenes Infoblatt vorgeschlagen. Das ist gut so. Das hat die Opposition, insbesondere die Linke, immer gefordert. Aber wenn Sie dem nachkommen: Bitte schön nicht so! Für die konkrete Ausgestaltung des Infoblatts sollen die Finanzinstitute selbst zuständig sein. Insofern ist das zentrale Kriterium für ein solches Informationsinstrument, die Vergleichbarkeit zwischen den verschiedenen Instituten, nicht erfüllt. Ich habe, ehrlich gesagt, kein Verständnis dafür, dass man schon bei diesem kleinen Punkt vor den Finanzinstituten kapituliert hat.
Es soll ein Beraterregister eingeführt werden; Sie haben es erwähnt. Dabei kann es sicherlich nicht nur darum gehen, das Fehlverhalten von Beratern zu dokumentieren. Das Kernproblem bei der Beratung ist für uns die provisionsgetriebene Beratung. Es kann doch nicht sein, dass Berater gerade dann gut verdienen, wenn sie ihren Kunden hochriskante Produkte anbieten.
In einigen Fällen ist Rentnern eine Lebensversicherung mit jahrzehntelanger Laufzeit angedreht worden, weil die Banken daran prima verdient haben. Wir sagen: Finanzberatung muss unabhängig sein. Das leistet Ihr Gesetzentwurf nicht.
Wir Linke bleiben dabei: Finanzschrott gehört unserer Auffassung nach überhaupt nicht auf den Markt.
Deswegen wollen wir einen Finanz-TÜV einrichten, der die Finanzprodukte vor ihrer Zulassung prüft.
Ein zentrales Problem ist ‑ Kollege Sieling von der SPD hat schon darauf hingewiesen ‑, dass Ihr Gesetzentwurf eine völlig unzureichende Regulierung des sogenannten grauen Kapitalmarkts vorsieht. An dieser Stelle ist die Bundesregierung vor der Finanzlobby komplett eingeknickt. Der völlig unregulierte graue Kapitalmarkt muss unserer Auffassung nach einer einheitlichen Finanzaufsicht unterstellt werden. Stattdessen schlagen Sie vor, dass die Kontrolle des Vertriebs von Produkten des grauen Kapitalmarkts der Gewerbeaufsicht unterstellt wird. Die Gewerbeaufsicht überprüft normalerweise die Einhaltung von Hygienevorschriften in Betrieben und die Einhaltung des Nichtraucherschutzes. Jetzt soll sie auch für Finanzprodukte zuständig sein. Es sieht doch jeder, dass die Gewerbeaufsicht die falsche Institution ist.
Der Bundesrat hat das verstanden und die Bundesregierung aufgefordert, endlich einen Vorschlag zu einer einheitlichen Finanzaufsicht vorzulegen.
Einer weiteren zentralen Anforderung im Zusammenhang mit der Regulierung der Finanzmärkte kommt Ihr Gesetzentwurf nicht nach. Wir müssen den Verbraucherschutz endlich als wichtige Aufgabe der Finanzaufsicht festschreiben. Deswegen sagen wir: Wir wollen eine Verbraucherschutzbehörde. Wir wollen, dass die Finanzmärkte von starken Verbraucherverbänden, die als Marktwächter fungieren, kontrolliert werden.
Auch hinter diesem Anspruch bleibt Ihr Gesetzentwurf meilenweit zurück.
Mit verstreuten Minimaländerungen ist es nicht getan. Sie müssen endlich den Mut aufbringen, die Finanzmärkte verbrauchergerecht zu regulieren. Diesem Anspruch werden Sie mit diesem Gesetzentwurf mit Sicherheit nicht gerecht.