Unabhängige Finanzberatung stärkt Verbraucherinnen und Verbraucher

19.01.2012
Caren Lay, DIE LINKE: Unabhängige Finanzberatung stärkt Verbraucherinnen und Verbraucher

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Es gibt genügend Beispiele für schlechte Finanzberatung. Da werden alten Menschen Lebensversicherungen mit 30-jähriger Laufzeit angedreht, garniert mit dem Hinweis, das sei dann noch gut für die Erben. Oder denken wir an die Lehman-Zertifikate: Ohne die hohen Provisionen für die Finanzberater wären diese Zertifikate kaum in die Hände von so vielen Kleinanlegerinnen und Kleinanlegern gelangt. Doch so haben zahlreiche Menschen ihre Ersparnisse verloren.

Das alles ist nur die Spitze des Eisbergs. Jährlich verlieren Verbraucherinnen und Verbraucher 20 bis 30 Milliarden Euro allein durch Falschberatung; das sind die Zahlen der Bundesregierung. Deswegen bin ich der Ansicht: Solange Finanzprodukte gegen Provision verkauft werden, so lange kann die Beratung nicht unabhängig sein. Denn nach dieser Logik ist es ganz selbstverständlich, dass das verkauft wird, was Provision bringt. Je höher der Verkaufswert, desto besser ist es natürlich für den Verkäufer. Meist handelt es sich dabei genau um die Finanzprodukte, die besonders riskant sind oder die eine besonders hohe Laufzeit haben. Das geht zulasten der Verbraucherinnen und Verbraucher. Deswegen sagen wir als Linke: Die provisionsgetriebene Beratung muss perspektivisch überwunden werden.

Es handelt sich nicht um Einzelfälle. In sehr vielen Finanzinstituten gibt es Vertriebsvorgaben für die Finanzberater. Darunter leiden auch die Beschäftigten. Inzwischen beschäftigen sich auch die Gewerkschaften mit diesem Problem.

Im Laufe der Zeit ist über dieses Thema schon mehrfach diskutiert worden; das zeigt, wie dringlich es ist. Herr Kollege, ich darf daran erinnern, dass es die Ministerin Aigner war, die bereits im Jahr 2009 angekündigt hat, dass die Honorarberatung gestärkt werden müsse und im Jahr 2010 ein entsprechender Gesetzentwurf vorgelegt werde. Nach meinem Kalender schreiben wir jetzt das Jahr 2012; aber es liegt noch immer kein Gesetzentwurf oder ein Antrag der Koalition oder der Bundesregierung vor. Das kostet die Verbraucherinnen und Verbraucher zig Milliarden Euro. Das muss endlich ein Ende haben. Die Bundesregierung muss in dieser Frage endlich handeln.

Die Linke hat bereits am Anfang dieser Legislaturperiode einen umfassenden Antrag vorgelegt, in dem sehr viele Themen angerissen wurden, die helfen sollen, den Nachholbedarf beim Thema „finanzieller Verbraucherschutz“ zu decken. In dem Zusammenhang haben wir die Bundesregierung bereits damals aufgefordert, die unabhängige Finanzberatung zu stärken und die Provisionsberatung perspektivisch zu überwinden. Passiert ist seitdem außer Eckpunktepapieren nichts.

Meine Damen und Herren,
in Deutschland ist eine unabhängige Beratung leider häufig das Privileg für Vermögende; denn Honorarberatung wird oft erst bei hohen Mindestanlagesummen angeboten, und das Angebot der Verbraucherzentralen reicht bei weitem nicht aus. Es würde nach wie vor etwa 30 Jahre dauern, bis jeder Haushalt eine unabhängige Finanzberatung von einer Verbraucherzentrale erhalten hätte. Ich finde, das darf im vierten Jahr nach dem Zusammenbruch der Lehman-Bank wirklich nicht wahr sein.

Das Grundproblem der provisionsgetriebenen Beratung ist, dass die bisherige Praxis geradezu einen Anreiz schafft, Verbraucherinnen und Verbrauchern teure Produkte aufzuschwatzen, egal ob sie sie brauchen oder nicht, ob sie angemessen sind oder nicht. Das muss sich endlich ändern; die Politik muss hier handeln.

Deswegen fordern wir, die Linke, eine Stärkung der Honorarberatung und ein gesetzlich klar geregeltes Berufsbild für Honorarberaterinnen und Honorarberater. Wir sagen ganz klar: Eine unabhängige Finanzberatung darf keine Frage des Geldbeutels sein. Deswegen fordere ich die Bundesregierung auf Ministerin Aigner ist heute leider nicht anwesend , die Verbraucherzentralen zu stärken und sie finanziell so auszustatten, dass sie Beratungsleistungen im Bereich des finanziellen Verbraucherschutzes breiter anbieten können, als es bisher der Fall war.

Im Bereich des finanziellen Verbraucherschutzes gibt es noch immer jede Menge zu tun. Die Bundesregierung hat es bisher verpasst, hier die notwendigen Schritte zu ergreifen. Noch immer kommt Finanzschrott ungehindert auf den Markt, noch immer ist die Finanzaufsicht ein einziger Flickenteppich. Wir brauchen endlich einen Finanz-TÜV, damit Finanzprodukte geprüft werden, bevor sie überhaupt auf den Markt kommen. Wir brauchen eine einheitliche Finanzaufsicht, die einen umfassenden Auftrag im Bereich des Verbraucherschutzes erhält. Die Bundesregierung steht nach wie vor in der Pflicht, diese dringende Frage endlich anzugehen.

Meine Damen und Herren,
viele andere Länder zeigen, dass es besser geht. Wir von der Linken sagen: Die provisionsgetriebene Finanzberatung muss ein Auslaufmodell sein, auch in Deutschland.

Vielen Dank.

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Die Wohnungsfrage ist die soziale Frage unserer Zeit. Doch statt sie anzugehen, werden Fehlentwicklungen systematisch politisch gefördert. Wohnungen sind zu reinen Spekulationsobjekten verkommen. Hohe Nachfrage und sogenannte Zwangssanierungen lassen die Mieten explodieren und zwar nicht nur in den Großstädten, sondern auch im Umland. Menschen werden aus jahrzentelang gewachsenen, sozialen Strukturen gerissen, gentrifzierte Viertel zu Soziotopen der Besserverdienenden. Wie konnte es soweit kommen? Warum unternimmt die Politik so wenig, um Mietenwahnsinn und Spekulation endlich zu stoppen? Und was muss getan werden, damit Wohnen endlich wieder bezahlbar wird? Caren Lay nimmt die deutsche Wohnungspolitik der letzten 20 Jahre schonungslos unter die Lupe, zeigt auf, wie und warum Deutschland zum Eldorado für Wohnungsspekulation werde konnte, und liefert provokante Ideen für eine soziale Wohnungspolitik, die wir so dringend brauchen.

Erschienen bei Westend / 160 Seiten Leseprobe

Über mich
Ich bin Bundestagsabgeordnete und Sprecherin für Mieten-, Bau- und Wohnungspolitik sowie für Clubpolitik.