»Manchmal muss ich halt sitzen bleiben, auch wenn es kalt ist«
Die Fraktion mobilisiert auch in diesem Jahr zum Protest gegen den Nazi-Aufmarsch in Dresden. Was ist Ihr Ziel?
Caren Lay: Wir wollen natürlich auch in diesem Jahr den Nazi-Aufmarsch in Dresden verhindern. Schon zweimal ist uns das gelungen: Mit gewaltfreien, aber entschlossenen Blockaden haben wir 2010 und 2011 gemeinsam mit vielen Tausend engagierten Menschen im Bündnis Dresden Nazifrei den einstmals größten Nazi-Aufmarsch Europas gestoppt. An diese Erfolge wollen wir jetzt anknüpfen. Aller guten Dinge sind schließlich drei! Die Nazis müssen begreifen, dass für ihre rassistische Propaganda und ihren Geschichtsrevisionismus kein Platz ist.
Was erwarten Sie von der Polizei?
Ralph Lenkert: Ich erwarte von Polizisten, dass sie die Verfassung einhalten. Dass friedliche Demonstranten ohne Polizeigewalt behandelt werden und dass die Polizei erkennt, dass es unverhältnismäßig ist, den Nazis den Weg frei zu räumen. Leider befürchte ich, dass die Polizei das Gegenteil von meinen Erwartungen plant. Deshalb werde ich als Abgeordneter darauf achten, dass sich auch die Polizei an die Gesetze hält.
Die sächsischen Behörden schienen sich in der Vergangenheit intensiver mit den Protesten gegen den Nazi-Aufmarsch zu befassen als mit den Nazis selbst – hat sich etwas geändert? Immerhin liegt ja auch Zwickau in Sachsen?
Caren Lay: Gegen die Anti-Nazi-Proteste sind die sächsischen Behörden zu allem breit: da werden z.B. Millionen Handydaten gespeichert, Jugendpfarrer zu Kriminellen erklärt und – wie auch in meinem Fall - die Immunitätsaufhebung von Abgeordneten der LINKEN betrieben. Wenn es aber um die Bekämpfung gewaltbereiter Nazis geht, haben die sächsischen Behörden eklatant versagt! Auch deshalb konnte Zwickau zum Rückzugsraum für die NSU-Terroristen werden. Aber das ist nur die Spitze des Eisbergs. In etlichen sächsischen Kommunen gibt es feste Nazi-Strukturen, die MigrantInnen, alternative Jugendliche oder anders Denkende terrorisieren. Das muss sich ändern! Wir brauchen viel mehr engagierte Bürgerinnen und Bürger, die sich wehren gegen Nazis und die für demokratische Werte eintreten. Und wenn sie das tun, wie zum Beispiel in Dresden, dürfen sie dafür nicht kriminalisiert werden.
In den vergangenen Monaten ist deutlich geworden, dass es bei der Bekämpfung des Nazi-Terrors große Versäumnisse gab. Wie wirkt sich das bei der Mobilisierung nach Dresden aus?
Caren Lay: Ich habe den Eindruck, dass sehr viele Menschen fassungslos und mit Empörung auf die Enthüllungen der letzten Wochen reagieren. Viele haben das Ausmaß rechtsextremistischer und rassistischer Gewalt unterschätzt, viele sind entsetzt über das völlige Versagen und die Unfähigkeit der Behörden. Ich hoffe, dass diese Empörung viele Menschen animiert, sich auch persönlich gegen Nazis und gegen Rassismus zu engagieren. Sie alle sind herzlich eingeladen, mit uns in Dresden ein Zeichen gegen Nazis zu setzen.
Ralph Lenkert, Sie sind direkt gewählter Abgeordneter auch für die Stadt Jena. Hier wuchsen die Neonazis Uwe Mundlos, Beate Zschäpe und Uwe Böhnhardt auf, hier lebt und arbeitet aber auch der Gemeindepfarrer Lothar König, dem Rädelsführerschaft bei den Protesten gegen den Nazi-Aufmarsch vorgeworfen wird. Wie haben sich diese Ereignisse vor Ort ausgewirkt?
Ralph Lenkert: Lothar König hat früh vor der Jenaer Naziszene gewarnt und die Einwohner der Stadt haben sich schon seit Ende der 90-ziger Jahre gegen die Nazis gewehrt. Auch die massiven Polizeieinsätze zum Schutz der Naziveranstaltungen hielten uns nicht ab. Mit Protesten und Blockaden haben wir die öffentliche Präsenz der Nazis stark reduziert. Heute müssen wir erkennen, es reicht nicht die Nazis zu vertreiben, wir müssen die Ursachen beseitigen. Die Ursachen lauten soziale Ausgrenzung, Perspektivlosigkeit und fehlende Sozialstrukturen und da hat auch Jena noch viele Aufgaben.
Haben Sie selbst oder Ihre Mitarbeiter im Wahlkreis schon Probleme mit Nazis gehabt?
Ralph Lenkert: Ja, mein Wahlkreisbüro in Gera wurde 2011 viermal angegriffen. Einmal mit Farbbeuteln, zweimal wurden Scheiben eingeworfen und einmal die Schlösser mit Klebstoff unbrauchbar gemacht. Bezeichnend ist das Vorgehen der Staatsanwaltschaft und der Polizei. Bei einem der Anschläge wurden nicht nur bei mir Scheiben eingeworfen, zuerst traf es ein kurdisches Restaurant , dann das Wahlkreisbüro Der Linken und anschließen eine griechische Gaststätte – einen rechtsextremen, oder fremdenfeindlichen Zusammenhang konnte oder durfte die Polizei nicht feststellen, auch das ein Fährtenhund sie zu einem Haus führte, wo stadtbekannte Nazis wohnen, änderte nichts an dieser unglaublichen Ignoranz. Ein Täter konnte übrigens nie ermittelt werden.
Was werden Sie, was werden die anderen Mitglieder der Fraktion konkret während der Proteste tun?
Ralph Lenkert: Ich werde am Demonstrationszug teilnehmen, versuchen deeskalierend auf die Polizeikräfte einzuwirken und falls erforderlich eine Spontankundgebung anmelden. Da dies alles sehr anstrengend ist und ich nicht mehr der Jüngste bin, kann es vorkommen, dass mich ein plötzlicher Schwächeanfall befällt und ich mich dann, wo ich gerade bin, hinsetzen muss. Manchmal brauche ich dann viel Zeit zur Regenerierung der Kraft, dann muss ich halt sitzen bleiben, auch wenn es kalt ist.
Ich gehe davon aus, dass sich meine Kolleginnen und Kollegen ebenfalls an den Protesten beteiligen.
www.linksfraktion.de, 6. Februar 2012