Raubzug durch die Geldbörse der Verbraucherinnen und Verbraucher muss beendet werden

Märkte müssen verbrauchergerecht reguliert werden

22.03.2012
Caren Lay, DIE LINKE: Raubzug durch die Geldbörse der VerbraucherInnen muss beendet werden

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Eines muss man Verbraucherministerin Aigner schon lassen: Sie scheut keinen Vergleich. In der letzten Woche hat sie die Öffentlichkeit wissen lassen, ihr Auftrag sei „Kennedy 2.0“. Neben den vielen guten Gründen, warum John F. Kennedy der Verbraucherministerin haushoch überlegen ist, gibt es einen ganz großen Unterschied, auf den ich mich heute konzentrieren möchte: Kennedys Reden ist eine ganze Reihe realer Veränderungen gefolgt; den Reden von Verbraucherministerin Aigner und ihren Versprechen folgt im Normalfall gar nichts. Das, meine Damen und Herren, ist der Unterschied zwischen einem guten Politiker und einer munteren Presseabteilung.

Man kann schon froh sein, wenn nach den munteren und vollmundigen Ankündigungen im Endeffekt Bonsai-Versionen umgesetzt werden.

Herr Staatssekretär Müller, die positive Bilanz der Arbeit von Schwarz-Gelb, die Sie heute gezogen haben, kann ich ‑ das wird Sie nicht wundern ‑ in keinster Weise teilen. Ich muss sagen: Wenn Ihnen dieses Thema wirklich so wichtig wäre, hätten Sie in dieser Legislaturperiode herzlich wenig erreicht.

Das beginnt schon bei der Unterfinanzierung des Verbraucherschutzes. Die Verbraucherzentralen ‑ das ist ein gutes Stichwort ‑ sind hoffnungslos unterfinanziert. Der Haushalt des Verbraucherministeriums spielt im gesamten Etat der Bundesregierung eine minimale Rolle. Es entbehrt wirklich jeder Grundlage, hier eine positive Bilanz zu ziehen.

Die Bundesregierung versagt aus unserer Sicht, aus Sicht der Fraktion Die Linke, beim Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher an allen Ecken und Enden. Selbst im Verbraucherpolitischen Bericht der Bundesregierung- er wurde letzte Woche veröffentlicht ‑ musste von Frau Aigner eingeräumt werden, dass im finanziellen Verbraucherschutz noch vieles im Argen liegt. Ja, das meine ich aber auch. Was ist das Ergebnis? Verbraucherinnen und Verbraucher verlieren immer noch jährlich 20 bis 30 Milliarden Euro durch Falschberatung. Das, meine Damen und Herren, halte ich wirklich für eine Zumutung.

Wir, die Linke, erwarten von der Bundesregierung seit Langem ein Konzept für eine nachhaltige und moderne Verbraucherpolitik. Wir fordern beispielsweise seit über zwei Jahren einen Finanz-TÜV und eine verbrauchergerechte Finanzaufsicht, die ausdrücklich die Aufgabe hat, Verbraucherinnen und Verbraucher auf den Finanzmärkten zu schützen, nicht nur Banken und Unternehmen. Noch der kleinste Stehimbiss in Deutschland wird regelmäßig kontrolliert; er erhält Auflagen und wird im Zweifel auch geschlossen, und zwar zu Recht. Aber es kann nicht sein, dass auf den Finanzmärkten weiterhin unkontrolliert Risikoprodukte umhergeistern, dass hier weiterhin unkontrolliert Schrott auf dem Markt ist. Wir brauchen den Finanz-TÜV, meine Damen und Herren. Denn was für eine Pommesbude gilt, das sollte doch wenigstens auch für Finanzprodukte gelten.

Nehmen wir ein weiteres Beispiel: unseriöse Inkassodienste. Sie zocken täglich Hunderte von Verbraucherinnen und Verbrauchern ab. Es ist und bleibt ein Skandal, dass zwar die Banken mit Milliarden aus Steuergeldern gerettet werden, aber die Dispozinsen für den Normalverbraucher auf Rekordniveau bleiben. Wir, die Linke, kritisieren das schon seit vielen Jahren. Vor einigen Monaten haben wir einen Antrag dazu eingebracht, der abgelehnt worden ist. Sie haben damit wieder einmal die Möglichkeit vertan, Verbraucherinnen und Verbraucher real vor Abzocke zu schützen.

CDU/CSU und FDP reagieren entweder zu lasch, zu spät oder gar nicht. Banken, Versicherungen, Finanzberater oder Telekommunikationsfirmen haben es leicht mit dieser Bundesregierung. Schwarz-Gelb scheut den Konflikt mit den Unternehmen und versteckt sich hinter dem Leitbild des mündigen Verbrauchers. Das hört sich gut an, es ist aber leider völlig überholt. Ich frage Sie: Was soll denn der mündige Verbraucher machen, wenn ihn Recht und Gesetz nicht vor Datendiebstahl im Internet schützen? Wie kann sich der mündige Verbraucher wehren, wenn ein unseriöses Inkassounternehmen einen Beutezug durch sein Portmonee macht? Wie soll der Verbraucher mündig handeln, wenn die Beratungsprotokolle beim Kauf von Finanzprodukten das Papier nicht wert sind, auf dem sie geschrieben sind? Seien wir realistisch: Wer kann schon fünf Seiten AGB ohne ein Jurastudium verstehen? Hier liegt der Hase im Pfeffer. Das Leitbild der Bundesregierung muss endlich überarbeitet werden.

Statt alles dem Markt zu überlassen und die Verantwortung auf die Verbraucherinnen und Verbraucher abzuschieben, sind wir als Politiker gefordert, zu handeln. Wir müssen die Märkte im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher endlich regulieren. Das haben wir als Linke schon vor zwei Jahren gefordert. Wir haben unsere verbraucherpolitischen Leitlinien vorgelegt. Wir haben gesagt: Wir brauchen politische Verantwortung, und wir brauchen eine verbrauchergerechte Marktregulierung.

Das war zu Beginn dieser Legislaturperiode. Damals sind wir als Staatssozialisten beschimpft worden. Ich freue mich, dass jetzt Bewegung in diese Debatte kommt und auch die SPD sagt, dass wir ein anderes Leitbild und eine andere Verbraucherpolitik brauchen.

Ich komme zum Schluss. Ich kann die positive Bilanz, die heute von der Bundesregierung in Bezug auf die Verbraucherpolitik gezogen wurde, nicht nachvollziehen. Zu zentralen Themen, beispielsweise Mieten - sie sind in den letzten Jahren um 7 Prozent gestiegen -, habe ich von der Ministerin kein Wort gehört. Auch solche Themen müssen endlich angegangen werden. Ich kann nur sagen: Frau Aigner, Sie sind nicht Vorsitzende der Bundespressekonferenz, sondern Sie leiten ein Ministerium. Handeln Sie endlich entsprechend!

Buchempfehlung:
Buchcover

Die Wohnungsfrage ist die soziale Frage unserer Zeit. Doch statt sie anzugehen, werden Fehlentwicklungen systematisch politisch gefördert. Wohnungen sind zu reinen Spekulationsobjekten verkommen. Hohe Nachfrage und sogenannte Zwangssanierungen lassen die Mieten explodieren und zwar nicht nur in den Großstädten, sondern auch im Umland. Menschen werden aus jahrzentelang gewachsenen, sozialen Strukturen gerissen, gentrifzierte Viertel zu Soziotopen der Besserverdienenden. Wie konnte es soweit kommen? Warum unternimmt die Politik so wenig, um Mietenwahnsinn und Spekulation endlich zu stoppen? Und was muss getan werden, damit Wohnen endlich wieder bezahlbar wird? Caren Lay nimmt die deutsche Wohnungspolitik der letzten 20 Jahre schonungslos unter die Lupe, zeigt auf, wie und warum Deutschland zum Eldorado für Wohnungsspekulation werde konnte, und liefert provokante Ideen für eine soziale Wohnungspolitik, die wir so dringend brauchen.

Erschienen bei Westend / 160 Seiten Leseprobe

Über mich
Ich bin Bundestagsabgeordnete und Sprecherin für Mieten-, Bau- und Wohnungspolitik sowie für Clubpolitik.