Verbraucherschutz ist nicht umsonst zu haben
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Es ist ein denkbar kleines Stück vom Kuchen, das Verbraucherinnen und Verbrauchern von diesem Haushalt zugestanden wird. Die Verbraucherpolitik ist der Regierung gerade einmal 143 Millionen Euro wert. Im Vergleich zu anderen Summen ist das ein lächerlich kleiner Betrag. Der Industrie schenken Sie beispielsweise 6,5 Milliarden Euro allein bei der Öko-Steuer und durch den kostenfreien Emissionshandel.
Dieses Missverhältnis spiegelt sich auch in diesem Haushaltsentwurf wider; denn auch im Vergleich zu den Ausgaben für die Landwirtschaft sind die Ausgaben für die Verbraucherpolitik verschwindend gering. Relativ ist der Anteil sogar gesunken. Waren es 2011 noch 3 Prozent der Ausgaben des Haushaltsentwurfs, so sind es jetzt nur noch 2,7 Prozent. Diese stiefmütterliche Behandlung der Verbraucherpolitik muss endlich ein Ende haben.
Sicherlich gilt auch hier: Gute Politik muss nicht zwingend viel kosten. Aber die Bilanz sieht ja insgesamt sehr mager aus. Ich möchte noch einmal darauf eingehen.
Im Kern besteht die Verbraucherpolitik der Bundesregierung aus Ankündigungen. Es geht um Projekte, die zwar nicht viel Wirkung haben, aber dafür auch nichts kosten. Das scheint hier das Motto der Ministerin zu sein. Ob es das Verbraucherinformationsgesetz ist, die Button-Lösung im Internet, der konsequente Schutz vor Telefonabzocke, die Begrenzung der teuren Warteschleifen beim Telefonieren - all diese Dinge wurden entweder zu spät, halbherzig oder mit Schlupflöchern durchgesetzt. So kann es einfach nicht gehen.
Nehmen wir ein anderes Beispiel. In Deutschland wird schätzungsweise 600.000 Haushalten im Jahr der Strom abgestellt, weil die Bewohner den Strom nicht bezahlen können. Das interessiert die Regierung noch nicht einmal. Sie verfügt diesbezüglich nicht einmal über eine ordentliche Statistik. Ich finde, auch dieser Skandal müsste der Verbraucherministerin wenigstens ein kritisches Wort wert sein.
Stattdessen kümmert sich die Koalition weiter um milliardenschwere Stromgeschenke an die Großindustrie. Von wirkungsvollen Ideen, um die Strompreise zu begrenzen, habe ich bislang noch nichts gehört.
Nehmen wir das Beispiel der Dispozinsen. Wenn in der Sommerpause wieder dramatische Zahlen darüber veröffentlicht werden, wie Verbraucherinnen und Verbraucher bei den Dispozinsen von den Banken abgezockt werden, dann finden das alle plötzlich ganz schlimm. Vor Monaten aber, als die Linke einen entsprechenden Antrag zur Begrenzung der Dispozinsen eingebracht hatte, haben alle geschlossen dagegen gestimmt - mit Ausnahme der Grünen; die haben sich bei einem eigenen Antrag enthalten. Ich finde, das ist einfach unseriös. Allein mit Pressemitteilungen kann man keine seriöse Politik machen.
Es gibt noch viele andere Dinge, auf die wir warten. Ich nenne die Nährwertampel, das Girokonto für jedermann oder Maßnahmen zum Beispiel zur Begrenzung unseriöser Inkassounternehmen. Auf all das warten wir bis heute.
Ein anderes gutes Beispiel ist die Installierung von Finanzmarktwächtern, die wir als Opposition gemeinsam fordern, um die Verbraucherinnen und Verbraucher auf den Finanzmärkten tatsächlich wirkungsvoll zu schützen. Dafür müsste man entweder die Verbraucherorganisationen stärken oder, wie wir fordern, endlich einen öffentlichen Finanz-TÜV einführen. Mit diesen 1,5 Millionen Euro für die Stiftung Warentest, mit denen Sie sich heute brüsten, ist es wirklich nicht getan. Sie wissen selbst, dass die Stiftung Warentest mit diesem Betrag diese Herkulesaufgabe niemals wird stemmen können.
Wenn Sie einen unabhängigen Verbraucherschutz wollen und zugleich die Ausgaben begrenzen wollen, dann könnten wir auf eine alte und in der Tat gute Idee der Ministerin zurückgreifen, nämlich die Einnahmen aus den Kartellstrafen den Verbraucherorganisationen zukommen zu lassen. Die Regierung selbst schätzt, dass hier 192 Millionen Euro im Jahr eingestellt werden könnten. Damit stünde mehr als doppelt so viel Geld für den Verbraucherschutz zur Verfügung, als wir jetzt haben. Ich finde, es wäre an der Zeit, wenn die CDU/CSU- und die FDP-Fraktion hier endlich einmal die guten Ideen ihrer Ministerin in die Tat umsetzen würden.
Auch die positive Bilanz der heute schon erwähnten Prognos-Studie, die Sie selbst in Auftrag gegeben haben, kann ich so nicht teilen. Ich finde, da muss man auch das Kleingedruckte lesen, da muss man auch bis zum Ende lesen. Darin steht zum Beispiel ausdrücklich : Verbraucherschutz ist eine öffentliche Aufgabe. Und dort, wo Sie von Bürokratie, von Zwang und von Verboten sprechen, mahnt Ihre eigene Studie Gesetze und ordnungspolitische Maßnahmen an. Vielleicht sollten Sie auch diesen Ratschlag einmal befolgen.
Meine Damen und Herren, als Linke möchte ich einen letzten Punkt ansprechen, der uns am Herzen liegt: Das ist die Personalpolitik. Schauen Sie sich einmal die Personalentwicklung in den Einrichtungen des Ministeriums an! Wenn Sie das tun, sehen Sie, dass befristete Beschäftigungsverhältnisse massiv ausgebaut werden sollen. Ich finde, eine nachhaltige Personalpolitik sieht anders aus.
Konsequenter Verbraucherschutz muss der Wirtschaft und ihrer Lobby manchmal wehtun. Dieser Haushalt muss im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher dringend nachgebessert werden. So, wie er jetzt vorliegt, kann er dieses Parlament mit Sicherheit nicht passieren.
Vielen Dank.