Verbraucherpolitik muss sich mit den Konzernen anlegen
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Ich freue mich sehr, dass wir heute in der Kernzeit sehr ausführlich zum Verbraucherpolitischen Bericht sprechen. Denn ich denke, angesichts steigender Strompreise, steigender Mieten, ungebetener Werbung am Telefon, Abzocke im Internet oder bei den Gaspreisen und erst recht angesichts des neuen Lebensmittelskandals müssen wir dem Thema Verbraucherpolitik endlich mehr Aufmerksamkeit schenken; das fordern wir Linke schon lange.
Die Grundlage, die die Regierung dafür anbietet, ist allerdings mehr als dürftig: Auf gut 50 Seiten werden dort angebliche Erfolge gefeiert. Ich finde, man könnte ein ganzes Buch über die Versäumnisse dieser Regierung in der Verbraucherpolitik schreiben.
Was diese Regierung in der Verbraucherpolitik wirklich gut kann, ist das Ankündigen von Projekten, das Erstellenlassen von Gutachten und das Erteilen unverbindlicher Prüfaufträge. Ehrlich gesagt, muss ich leider auch angesichts der aktuellen Debatte zum Pferdefleischskandal zu einem solchen Ergebnis kommen. Meine Kollegin, Frau Binder, wird gleich ausführlich darauf eingehen. Aber eines möchte ich nach Ihrer Rede, Frau Ministerin, schon sagen: Sie haben kein ordentliches Verbraucherinformationsgesetz und kein ordentliches Tierschutzgesetz auf die Reihe bekommen. Sie haben unzureichende Konsequenzen aus den letzten Lebensmittelskandalen gezogen. Die Neuordnung der Lebensmittelkontrolle steht aus; die Debatte darüber führen wir doch schon seit Jahren. Das föderale System der Lebensmittelkontrolle wird den global agierenden Konzernen einfach nicht mehr gerecht. Das heißt, es gibt politische Versäumnisse in der Verbraucherpolitik, aber Sie stellen sich hier hin und drücken auf die Tränendrüse. Ich finde, das wird der Dimension dieser Auseinandersetzung überhaupt nicht gerecht.
Ich möchte auf die Versäumnisse der Regierung und von Frau Ministerin Aigner im Bereich des wirtschaftlichen Verbraucherschutzes eingehen. Nehmen wir beispielsweise das Thema der überhöhten Dispozinsen. Wir haben nach wie vor die Situation, dass sich die Banken, die in der Kreide stehen, ihr Geld zu einem sagenhaft niedrigen Leitzins von 0,75 Prozent leihen können und es den Verbraucherinnen und Verbrauchern zu einem Zinssatz von im Schnitt 12 Prozent weitergeben. Das sind wirklich unsägliche Gewinnmargen, die auf Kosten der schwächsten Verbraucherinnen und Verbraucher gehen. Aber was tut die Ministerin? Sie haben die Bankenchefs zum Kaffeetrinken eingeladen und diverse Presseerklärungen abgegeben, in denen Sie sagen, dass Sie das unmöglich finden; aber in der Praxis ist nichts passiert. Für die Verbraucherinnen und Verbraucher ist kein müder Cent dabei herausgekommen. Ich muss sagen, ich finde das einfach beschämend.
Nehmen wir die Tatsache, dass die Verbraucherzentralen seit vielen Jahren gnadenlos unterfinanziert sind. Frau Aigner hatte die in der Tat gute Idee die haben wir alle unterstützt , dass man die Kartellstrafen der Unternehmen der Verbraucherarbeit zur Verfügung zu stellen kann. Die Umsetzung dieser Idee in die Praxis kann ich einfach nicht erkennen.
Nehmen wir als Beispiel den Schutz der Kunden vor Falschberatung bei Banken. Außer diesen Beipackzetteln haben Sie hier nichts zustande gebracht. Was wir eigentlich bräuchten, nämlich einen Finanz-TÜV, der dafür sorgt, dass die Schrottpapiere erst gar nicht auf den Markt kommen, steht aber noch aus. Das ist kein verantwortungsvoller Verbraucherschutz im Bereich der Finanzwirtschaft.
Frau Ministerin, Sie haben nicht verstanden, worum es geht. In der Politik zählen nicht die Ankündigungen und die großen Worte, es zählen am Ende immer noch die Taten. Sie haben sich Ihren Ruf als Ankündigungsministerin in dieser Legislaturperiode wirklich hart erarbeitet. Ich weiß jetzt nicht, wie es den anderen Kolleginnen und Kollegen von der Opposition geht, die diese Einschätzung immer geteilt haben. Fast sehne ich mich nach den Zeiten zurück, als wir der Ministerin immer vorwerfen konnten, dass sie Dinge ankündigt, aber am Ende nicht handelt. Seitdem sie sich politisch dafür entschieden hat, nach Bayern zu gehen, hat sie bei wichtigen verbraucherpolitischen Themen offenbar sogar auf die Ankündigung verzichtet.
Das Alphabet kann man auch anders gestalten. Es enthält bei Ihnen nämlich einige Leerstellen. Nehmen wir zum Beispiel S wie Strompreise: kein Wort dazu von der Ministerin. Auch der Bericht, den wir heute diskutieren, enthält nichts wirklich Substanzielles. Angesichts der Tatsache, dass auch in diesem Jahr die Strompreise um 12 Prozent steigen und ihr Kabinettskollege Herr Altmaier seinen Propagandafeldzug gegen die erneuerbaren Energien fortsetzt, wäre es an der Zeit gewesen, dass die Verbraucherministerin ein kritisches Wort zu den ungerechtfertigten Industrierabatten sagt oder nur ein kritisches Wort zu den Konzerngewinnen in Milliardenhöhe. Von ihr hat man nichts darüber gehört. Ich finde, so geht das einfach nicht.
Wenn sich die Ministerin darauf konzentrieren möchte, zukünftig in Bayern zu wirken, dann ist das eine legitime politische Entscheidung. Aber auch in Bayern gibt es Verbraucherinnen und Verbraucher. Nehmen wir beispielsweise die Landeshauptstadt München. Dort sind die Mieten in den letzten fünf Jahren bis zu 26 Prozent gestiegen. Zu diesem Thema, das die Koalition völlig brachliegen lässt, hätte es wenigstens einiger Worte der Ministerin bedurft.
Die Mietentwicklung ist eine zentrale soziale und verbraucherpolitische Frage, aber das hat die Ministerin überhaupt nicht auf dem Schirm. Das muss an dieser Stelle einmal gesagt werden.
Nehmen wir das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb. Wir erleben nach wie vor ungebetene Telefonwerbung. Wir haben das grassierende Abmahnwesen im Internet, die beispielsweise unseriöses Inkasso betreffen, und viele andere Dinge mehr. Seit einem Jahr liegt der Gesetzentwurf dazu irgendwo in den Schubladen herum. Sie lassen die Verbraucherinnen und Verbraucher auch an dieser Stelle hängen.
Meine Damen und Herren, Sie werden das sicherlich alles mit dem Begriff der Eigenverantwortung erklären. Ich sage, das alleine reicht nicht. Dadurch werden die Baustellen nicht beseitigt. Mit der Selbstverpflichtung der Unternehmen ist einfach keine gute Verbraucherpolitik zu machen.
Wer Verbraucherpolitik betreiben will, der muss sich mit den Konzernen anlegen. Aber dazu ist diese Regierung leider nicht in der Lage.
Vielen Dank.