Bundesregierung hat kein Interesse an Verbraucherrechten
Protokollrede zum "Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung" (BT-Drs. 17/12637).
Mit diesem Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtline hat die Bundesregierung leider die Chance vertan, Verbraucherinnen und Verbraucher in zentralen Bereichen besser zu stellen.
Die Liste der verpassten Gelegenheiten ist lang.
1. Widerrufsrecht bei Telefonverträgen
Wir als LINKE finden es besonders bedauerlich, dass auch diesmal keine Regelung zu telefonisch geschlossenen Verträgen existieren sondern lediglich ein Widerrufsformular. Das ist ein Fortschritt gegenüber der bestehenden Situation. Dennoch müssen die potentiell Betrogenen hier selbst aktiv werden, wenn ihnen am Telefon etwas angedreht wurde.
Verbraucherinnen und Verbraucher sind allerdings leider nach wie vor windigen Callcenter-Firmen ausgeliefert. Immer noch genügt ein falsches Wort am Telefon oder einmal nicht richtig hingehört zu haben und schon hat man ein Zeitschriftenabo oder etwas Ähnliches, dass sie nie wollten. Das bereits seit August 2009 geltende Gesetz zur Bekämpfung unerlaubter Telefonwerbung hat sich als ineffektiv erwiesen. Verbraucherverbände sprechen nach wie vor von einer großen Anzahl unerlaubter Anrufe, die sogar oft unter falscher Flagge segeln und sich als vermeidlich seriöse Firmen und Institutionen ausgeben. Dabei liegt die Lösung einfach und praktikabel auf der Hand liegt: Telefonisch geschlossene Verträge müssen noch einmal schriftlich und in Ruhe bestätigt werden. Eine Bestätigungslösung fordert die LINKE bereits seit Anfang 2009. Unser damaliger Antrag im Plenum wurde von CDU/CSU, SPD und FDP im Plenum abgelehnt und seitdem ist nichts mehr passiert. Ob ein Widerrufsformular sich in der Praxis überhaupt bewährt, bleibt dabei die offene Frage. Die Bestätigungslösung hätte sich auf jeden Fall bewährt. Mehr noch: Die EU-Richtlinie hätte diese Möglichkeit eröffnet aber die Bundesregierung nutzt diese Chance nicht.
2. Kaffeefahrten
Oder nehmen wir das Beispiel der sogenannten Kaffeefahrten. Es ist kein Geheimnis, dass Verkaufsveranstaltungen ein wesentliches Element dieser Ausflüge sind. Statt die Rechte der Verbraucherinnen und Verbraucher bei Kaffeefahrten zu verbessern, verschlechtern sie sich sogar. Noch kann man vom Kauf einer Rheumadecke oder einer Pauschalreise zurücktreten. Tritt dieses Gesetz in Kraft, kann man die Decke zurückgeben, die Pauschalreise aber nicht mehr. Was einmal unterschrieben ist, hat Gültigkeit. Ein Widerruf ist künftig nicht mehr möglich. Die Bundesregierung eröffnet hier nun ein riesiges neues Geschäftsfeld für Betrüger, die ihre vermeidlichen Reisegäste mit überteuerten Reiseangeboten prellen können.
3. Beweislastumkehr und Gewährleistungen
Die Bundesregierung versäumt, die Gewährleistungsmöglichkeiten zu verbessern. Die Gewährleistung für ein gekauftes Produkt geht zwar theoretisch über zwei Jahre, in der Praxis ist dieses Recht bereits nach 6 Monaten wertlos. Das heißt: Einen neugekauften Toaster kann man theoretisch zwei Jahre lang zurück geben, wenn er kaputt geht. Aber schon nach einem halben Jahr muss man beweisen, dass der Defekt schon vorher da war. Da die wenigsten von uns Ingenieure sind, ist das praktisch unmöglich.
Die Chance wurde hier vertan.
Der vorliegende Entwurf ist ein verwässertes Papier mit zahllosen Ausnahmen. Beim Wohneigentum, bei den Reise- und Beförderungsleistungen, den Telefonverbindungen, den Finanzdienstleistungen, bei Versicherungen sowie bei Behandlungsverträgen: Verbraucherinnen und Verbrauchern werden weiterhin Informationen vorenthalten. Dabei sind das zentrale Bereiche, die fast ausnahmslos jeden Menschen betreffen. Durch ihre Untätigkeit liefert die schwarzgelbe Koalition weiterhin Millionen Bürgerinnen und Bürger der Abzocke aus.
Insgesamt gibt es nach wie vor eine Vielzahl von Regeln, die für den juristisch nicht vorgebildeten Normalverbraucher weder verständlich noch nachvollziehbar sind. Es ginge auch einfacher. In Österreich gibt es das Konsumentenschutzgesetzbuch, welches nur 42 Paragraphen enthält und dennoch den Verbraucherschutz umfassend regelt. Eine derartige Transparenzoffensive wünschen sich sowohl Juristinnen und Juristen als auch DIE LINKE.
Wieder einmal hat diese Bundesregierung bewiesen, dass sie kein Interesse an der Stärkung der Rechte von Verbraucherinnen und Verbrauchern hat.