Verschenkte Jahre in der Verbraucherpolitik

15.03.2013
Caren Lay, DIE LINKE: Verschenkte Jahre in der Verbraucherpolitik

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Es wird höchste Zeit für eine gute, moderne und engagierte Politik für Verbraucherinnen und Verbraucher. Das gilt nicht nur heute, am Weltverbrauchertag, das sollte eigentlich jeden Tag gelten.

Wenn wir uns heute drei Jahre schwarz-gelbe Verbraucherpolitik ansehen, dann müssen wir sagen: Was die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher angeht, waren das drei verschenkte Jahre unter der Ägide einer Ankündigungsministerin, die wir heute vielleicht besser Untätigkeitsministerin nennen sollten; aber da sie nicht anwesend ist, wird sie diese Worte gar nicht hören.

Frau Kollegin Heil, ich kann Ihre Jubelbilanz wirklich nicht unterschreiben. Nehmen wir das Thema Warteschleifen: Diese Regelung gegen Abzocke bei Warteschleifen kam viel zu spät, und sie ist halbherzig gemacht. Oder nehmen wir die Produktinformationsblätter, mit denen Sie sich hier brüsten wollen. Wegen der Produktinformationsblätter von Frau Ministerin Aigner werden die Finanzhaie nun wirklich keine zitternden Knie bekommen. Wenn das das Einzige ist, womit diese Regierung die Finanzspekulanten an die Leine legen will, dann muss ich sagen: Das ist eine traurige Bilanz.

Diese Regierung wird von einem Lebensmittelskandal nach dem anderen getrieben. Sie haben kein schlüssiges Konzept vorgelegt, wie solche Skandale in Zukunft verhindert werden können. Ich muss sagen: Die schwarz-gelbe Verbraucherpolitik bietet überhaupt keinen Anlass, sich zu brüsten.

Meine Damen und Herren, der Handlungsbedarf im Verbraucherbereich ist aus meiner Sicht so groß, dass wir bis zum Ende der Legislaturperiode eigentlich jede Sitzung mit verbraucherpolitischen Forderungen füllen könnten. Ich will Ihnen einige Beispiele nennen, wo aus unserer Sicht dringend gehandelt werden muss. Nehmen wir die Dispozinsen,-hier verweigert sich Schwarz-Gelb seit vielen Jahren der Forderung nach einer Deckelung-, nehmen wir steigende Mieten, nehmen wir Abmahnungen im Internet, nehmen wir steigende Kosten bei Heizung und bei Strom: Hier hat diese Regierung nichts anzubieten, um Verbraucherinnen und Verbraucher zu schützen.

Ich gehe noch einmal kurz auf die Lebensmittelskandale ein. Als der nunmehr fünfte Lebensmittelskandal in dieser Legislaturperiode aktuell war, hat Frau Aigner einmal wieder einen nationalen Aktionsplan angekündigt mit magerem Inhalt: Er ist voller Prüfaufträge. Alle Prüfaufträge hätte man sich sparen können, wenn man zu Beginn dieser Legislaturperiode einige der Forderungen von uns Linken aufgegriffen hätte, zum Beispiel beim Verbraucherinformationsgesetz. Ich finde es, ehrlich gesagt, müßig, danach zu fragen, welches Land wie viel Verstöße gemeldet hat. Es liegt doch in der Verantwortung dieser Koalition und dieser Regierung, Gesetze zu erlassen, die besagen: Jedes Prüfergebnis, das den Behörden vorliegt, muss öffentlich zugänglich sein; das wäre einmal ein vernünftiger Ansatz gewesen.

Oder nehmen wir die überhöhten Strompreise. Dieses Thema ist ein klassisches Beispiel dafür, dass wir die Verantwortung nicht auf die Verbraucherinnen und Verbraucher abwälzen können. Natürlich kann man den Stromanbieter wechseln; aber selbst die Stiftung Warentest sagt, dass bei den Vergleichsportalen im Internet so viele Fallstricke zu beachten sind, dass es für viele Menschen ganz schwer abzusehen ist, was am Ende dabei herauskommt. Deswegen brauchen wir hier auch andere Maßnahmen, zum Beispiel eine staatliche Preisaufsicht.

Das ist genau der zentrale Unterschied zwischen unserer und Ihrer Verbraucherpolitik. Sie verstecken sich einfach hinter dem Begriff Eigenverantwortung. Frau Heil, da Sie heute gesagt haben, Sie trauten den Menschen etwas zu, muss ich erwidern: Sie lassen die Menschen im Regen stehen und liefern die Verbraucherinnen und Verbraucher der Wirtschaft aus. Das ist meine Analyse der Situation.

Ich denke, Sie haben im Kern einfach Angst davor - darum geht es doch-, die Wirtschaft, also die Unternehmen und Konzerne, in die Pflicht zu nehmen. Wir nicht! Sie fürchten um die Gewinne Ihrer Freunde bei den Konzernen und machen eine entsprechende Verbraucherpolitik. Wir hingegen denken an die Menschen, in deren Interesse wir gute Verbraucherpolitik machen wollen. Das heißt, hier ab und zu auch einmal ein gutes Gesetz zu erlassen.

Ein letzter Punkt. Auch das sogenannte Anti-Abzocke-Gesetz hat ja wegen des permanenten Streits in der Koalition jahrelang in den Schubladen gelegen und schon Schimmel angesetzt. Herausgekommen ist zum Schluss eine völlig verwässerte Variante von dem, was wir brauchen. Wir brauchen endlich eine Regulierung von unseriösem Inkasso. Wir müssen verhindern, dass Jugendliche wirklich massenhaft abgemahnt werden, wenn sie mal ein Youtube-Video über Facebook posten. Auch die Verbraucherzentralen sagen: Der Gesetzentwurf der Bundesregierung in dieser Sache macht es eher schlimmer als besser.Deswegen sage ich auch an dieser Stelle: So kann es nicht gehen.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Einige der Maßnahmen, die wir als Linke vorschlagen, werden der Wirtschaft sicherlich Schmerzen bereiten. Ich sage aber: Das muss der Politik im Zweifel egal sein, wenn sie Politik nicht nur für die Konzerne und für die Märkte, sondern auch für die Menschen betreiben will.
Vielen Dank.

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Die Wohnungsfrage ist die soziale Frage unserer Zeit. Doch statt sie anzugehen, werden Fehlentwicklungen systematisch politisch gefördert. Wohnungen sind zu reinen Spekulationsobjekten verkommen. Hohe Nachfrage und sogenannte Zwangssanierungen lassen die Mieten explodieren und zwar nicht nur in den Großstädten, sondern auch im Umland. Menschen werden aus jahrzentelang gewachsenen, sozialen Strukturen gerissen, gentrifzierte Viertel zu Soziotopen der Besserverdienenden. Wie konnte es soweit kommen? Warum unternimmt die Politik so wenig, um Mietenwahnsinn und Spekulation endlich zu stoppen? Und was muss getan werden, damit Wohnen endlich wieder bezahlbar wird? Caren Lay nimmt die deutsche Wohnungspolitik der letzten 20 Jahre schonungslos unter die Lupe, zeigt auf, wie und warum Deutschland zum Eldorado für Wohnungsspekulation werde konnte, und liefert provokante Ideen für eine soziale Wohnungspolitik, die wir so dringend brauchen.

Erschienen bei Westend / 160 Seiten Leseprobe

Über mich
Ich bin Bundestagsabgeordnete und Sprecherin für Mieten-, Bau- und Wohnungspolitik sowie für Clubpolitik.