Girokonto für alle gesetzlich verankern

19.04.2013
Caren Lay, DIE LINKE: Girokonto für alle gesetzlich verankern

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Sage und schreibe 30 Millionen EU-Bürger besitzen kein Girokonto. Alleine in Deutschland sind schätzungsweise 700 000 Menschen ohne ein Konto. Wir sprechen also beileibe nicht über ein Randphänomen, sondern über eine wichtige Frage sozialer Gerechtigkeit und gesellschaftlicher Teilhabe. Für uns als Linke ist seit langem klar, dass hier endlich etwas passieren muss.
Kein Girokonto zu haben, schränkt jeden Menschen im Alltag stark ein. Weil ich manchmal das Gefühl habe, dass es noch nicht alle wirklich begriffen haben, möchte ich Ihnen einige Beispiele nennen: Wer kein Girokonto hat, der kann eben nicht bequem per Bankeinzug und Dauerauftrag Miete, Strom- oder Telefonrechnungen bezahlen. Mal eben im Supermarkt mit der EC-Karte zu bezahlen, geht nicht. Und am Geldautomaten Geld abzuheben, funktioniert auch nicht. Man kann auch niemandem Geld überweisen.
Welche Menschen sind davon betroffen? ‑ Es sind oftmals diejenigen, die überschuldet sind, die erwerbslos sind oder gleich beides sind, denen die Banken ein Konto verweigern.
Kein Girokonto zu haben, wird für sie dann zu einem doppelten Problem. Sie sind dadurch, dass sie keine Kontoverbindung angeben können, benachteiligt, wenn es darum geht, eine Wohnung anzumieten oder eine Arbeit aufzunehmen. Zusätzlich wird es auch noch richtig teuer, denn Barein- und Barauszahlungen lassen sich die Banken mit bis zu 15 Euro pro Überweisung bezahlen.
Das heißt, die Banken verdienen an der sozialen Notlage dieser Menschen kräftig mit. Hier dürfen wir nicht länger zusehen.
Genau deswegen setzen wir uns als Linke seit vielen Jahren für ein kostenloses Girokonto für alle ein. Das vertreten inzwischen auch die Sozialverbände. Ich freue mich, dass es mittlerweile Anträge von allen Oppositionsfraktionen, also von Linken, SPD und Grünen, gibt, die im Kern das gleiche Anliegen, nämlich das Recht auf ein Girokonto, verfolgen.
Man muss der Ehrlichkeit halber schon sagen ‑ das ist schon erwähnt worden ‑, dass auch die rot-grüne Bundesregierung hier nichts Wesentliches geändert hat. Auch SPD-Kollegen haben vor einigen Jahren in Plenardebatten noch gesagt: Lasst uns mal auf die freiwilligen Selbstverpflichtungen setzen. Dann wird es schon irgendwann etwas werden. ‑ Unter Schwarz-Rot wurde es nicht besser. Auch unter Schwarz-Gelb, wie wir heute gehört haben, gibt es keine ernsthaften Bestrebungen, ein Girokonto für alle einzuführen. Alle setzen auf die Selbstverpflichtung der Banken. Das Ergebnis ist, dass Hunderttausende immer noch kein Konto haben. Deswegen sagen wir als Linke: Selbstverpflichtungen bringen es nicht. Wir brauchen endlich eine gesetzliche Regelung.
Es kann ja sein, dass es bisher kein Recht auf ein Girokonto gibt, Herr Brinkhaus, aber wir als Linke wollen es einführen. Ich finde, das wird höchste Zeit.
Es gibt immer wieder das eine oder andere Argument, mit dem das Recht auf ein Girokonto abgelehnt wird. Sehr abenteuerlich fand ich das Argument der FDP, dass es irgendjemand bezahlen muss. Da sage ich als Bankkundin ganz ehrlich: Ich sorge mit meinen Kontoführungsgebühren lieber dafür, dass arme Menschen ein Girokonto erhalten, als für die Boni der Bankmanager. Ich würde mich freuen, wenn Sie das auch endlich so sehen würden.
Das ist keine marxistische Mottenkiste. Ich wiederhole diesen Zwischenruf, damit es alle hören. Ich finde, es ist ein Grundrecht, dass jeder Mensch am gesellschaftlichen Leben teilhaben kann. Dass die FDP dies nicht genauso sieht, haben jetzt alle hier noch einmal gehört.
Folgendes kann ich ebenfalls nicht akzeptieren: Es ist schön, dass die Sparkassen jetzt Basiskonten anbieten werden ‑ das ist gut so ‑, aber was wir als Linke nicht akzeptieren, ist, dass es wieder die Aufgabe der öffentlich-rechtlichen Banken ist, den armen Kunden ein Bankkonto anzubieten, und sich die privaten Banken die besseren Kunden, die zahlungskräftigen Kunden heraussuchen. Das hat mit sozialer Gerechtigkeit wirklich nichts zu tun.
Meine Damen und Herren, wer heute kein Girokonto hat, der kann am sozialen Leben nicht teilnehmen. Wir freuen uns sehr, dass von der EU jetzt endlich eine Initiative kommt. Was ich aber nicht durchgehen lassen kann, ist, dass Sie sagen: Irgendwie ist es doch ganz schlimm, aber warten wir doch mal ab, was von der EU kommt. ‑ Ich finde, man kann sich hier nicht hinter der EU verstecken. Man kann auch hier im Deutschen Bundestag endlich das Recht auf ein Girokonto einführen. Das wird höchste Zeit.

Vielen Dank.

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Die Wohnungsfrage ist die soziale Frage unserer Zeit. Doch statt sie anzugehen, werden Fehlentwicklungen systematisch politisch gefördert. Wohnungen sind zu reinen Spekulationsobjekten verkommen. Hohe Nachfrage und sogenannte Zwangssanierungen lassen die Mieten explodieren und zwar nicht nur in den Großstädten, sondern auch im Umland. Menschen werden aus jahrzentelang gewachsenen, sozialen Strukturen gerissen, gentrifzierte Viertel zu Soziotopen der Besserverdienenden. Wie konnte es soweit kommen? Warum unternimmt die Politik so wenig, um Mietenwahnsinn und Spekulation endlich zu stoppen? Und was muss getan werden, damit Wohnen endlich wieder bezahlbar wird? Caren Lay nimmt die deutsche Wohnungspolitik der letzten 20 Jahre schonungslos unter die Lupe, zeigt auf, wie und warum Deutschland zum Eldorado für Wohnungsspekulation werde konnte, und liefert provokante Ideen für eine soziale Wohnungspolitik, die wir so dringend brauchen.

Erschienen bei Westend / 160 Seiten Leseprobe

Über mich
Ich bin Bundestagsabgeordnete und Sprecherin für Mieten-, Bau- und Wohnungspolitik sowie für Clubpolitik.