Merkels Mauthelden
Von Caren Lay, Leiterin des Arbeitskreises Struktur- und Regionalpolitik und stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag
Die Europawahl vor Augen setzt die CSU hemmungslos auf die nationalistische Karte. Ein ausländerfeindlicher Zungenschlag liegt sowohl der Kampagne gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit für bulgarische und rumänische Staatsangehörige als auch der Forderung nach der PKW-Maut für Ausländer zugrunde. Wenn Bulgaren und Rumänen schon nach Deutschland kommen, dann sollen sie wenigstens Maut bezahlen - so oder so ähnlich wird in Wildbad Kreuth derzeit die bayrische Heimat beziehungsweise das deutsche Straßennetz gerettet. CSU-Parteichef Seehofer kann seit der Wahl im September vor Kraft kaum laufen. Um die enorme Wichtigkeit der Regionalpartei im Bund zu unterstreichen, ist Aktionismus und die kompromisslose Umsetzung der noch so unsinnigsten Wahlversprechen angesagt.
Verkehrspolitisch und haushaltärisch ist die PKW-Maut für Ausländer nach Meinung der Expertinnen und Experten völlig unsinnig. Sie wird durch den bürokratischen Aufwand mehr kosten als sie Einnahmen bringt. Dass der ehemalige CSU-Generalsekretärs und frisch gebackene Verkehrsminister Alexander Dobrindt nun auch noch Preis-Staffelungen für verschiedene Antriebe ins Spiel bringt, macht es auch nicht besser. Eine Regelung, die Ausländer einseitig belastet und Inländer nicht mehr kosten soll, wird ohnehin aus guten Gründen am EU-Recht scheitern. Noch dazu ist die Entlastung der Einheimischen über die reduzierte KfZ-Steuer nicht durchdacht, denn für etliche PKW-Halter ist die Steuer ohnehin niedriger als die im Raum stehenden Vignettenpreise. Die bisher bekannt gewordenen Maut-Modelle und Staffelungen des Verkehrsministers sind sozial unausgewogen und verzichten auf jeden ökologisch Lenkungsgedanken. Um die Maut zu sparen, werden wohl viele von der Autobahn auf Bundesstraßen ausweichen und dort Staus produzieren.
Sehenden Auges steuert die Große Koalition in die Blamage. Statt einer seriösen Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur hat sie sich qua Koalitionsvertrag auf populistischen Popanz verpflichtet. Und obwohl sie sich noch kurz vor der Wahl entschieden gegen die Maut aussprach, knickt Kanzlerin Angela Merkel nun vor den bayrischen Mauthelden ein. Still ruht der See auch bei der SPD, aus der im Wahlkampf noch zu hören war, dass bei einer PKW-Maut für Ausländer am Ende in Wahrheit alle mehr zahlen würden. Oder ist genau das der Plan?
Denn eine generelle PKW-Maut weckt seit Jahrzehnten Begehrlichkeiten in Verkehrs- und Finanzministerium. Schon zu Zeiten Helmut Kohls spukte die Autobahn-Vignette in den Köpfen der Unionsminister Waigel, Rühe, Krause und Wissmann herum. Auch eine rot-grüne Kommission empfahl um die Jahrtausendwende die Einführung einer PKW-Maut für alle. Ist es nun soweit? Ist der bayrische Löwe mit seinem Gebrüll in Wahrheit ein trojanisches Pferd? Geht es aktuell gegen „die Ausländer“, um Akzeptanz für die PKW-Maut zu erheischen, und am Ende zahlen alle? Eine Finanzierungsquelle durch die Hintertür also?
Wenn es das ist, was die Große Koalition will, dann sollte sie mit offenen Karten spielen. Dann sollen sich Union und SPD dazu bekennen, dass sie um jeden Preis Geld eintreiben wollen und auf sozialen Ausgleich, ökologische Verkehrslenkung und auf ihre anders lautenden Wahlaussagen sowieso pfeifen. Wenn nicht, dann sollten Angela Merkel und SPD-Chef Gabriel ihrem neuen Kollegen Dobrindt erklären, dass sein Pferd tot ist und er endlich absteigen soll.
linksfraktion.de, 8. Januar 2014