Verbraucherpolitik verhackstückt statt gestärkt

30.01.2014
Caren Lay, DIE LINKE: Verbraucherpolitik verhackstückt statt gestärkt

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Der Justizminister ist neuerdings auch der Verbraucherminister. Ich kann Ihnen sagen: Nach den vier Jahren der letzten Legislaturperiode, wo die Verbraucherpolitik so eine Art unwichtiger Anhang der Landwirtschaftsministerin war, klingt das zunächst vielversprechend. Wenn wir uns die Details allerdings ansehen, dann stellen wir fest, dass das ganz schön ernüchternd ist. Es beginnt damit, dass Sie das Themengebiet Verbraucherpolitik im Grunde einmal in der Mitte durchschneiden und es damit faktisch spalten. Wir haben hier den gesundheitlichen Verbraucherschutz. Wir haben an einer anderen Stelle den wirtschaftlichen Verbraucherschutz. Ich kann nur sagen: Damit ist das Thema Verbraucherpolitik verhackstückt statt gestärkt.

Die entscheidende Frage lautet natürlich: Welche Konsequenzen hat das in der Realität? Das heißt beispielsweise, dass der nächste Lebensmittelskandal dann vom Landwirtschaftsminister und nicht vom Verbraucherminister aufgeklärt wird. Wie absurd ist das denn? Genau hier wäre doch die Chance gewesen, dafür zu sorgen, dass die Interessenvertretung der Landwirtschaft und der Lebensmittelwirtschaft auf der einen Seite und der Aufklärungswille im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher auf der anderen Seite strukturell getrennt werden. Das wäre eine historische Chance gewesen. Sie haben sie leider verpasst.

Es kommt noch dicker, wenn wir davon ausgehen, dass die Zuständigkeit für das Verbraucherinformationsgesetz Pressemeldungen zufolge federführend beim Landwirtschaftsministerium bleiben soll. Das ist eines der ganz zentralen Instrumente der Verbraucherpolitik. Es geht darum, dass die Bürgerinnen und Bürger ein Auskunftsrecht gegenüber Behörden und wenn es nach uns geht auch gegenüber Unternehmen haben. Es kann doch wirklich nicht sein, dass dieses zentrale Gesetzesinstrument federführend beim Landwirtschaftsministerium bleiben soll. Ich sage: Wer den Verbraucherschutz stärken will, der muss verantwortlich für dieses Gesetz sein, und der muss dieses Gesetz reformieren. Meine Damen und Herren, darauf wird es auch in dieser Legislatur ankommen.

Bis jetzt, so scheint es mir, ist im Detail schlecht verhandelt worden. Ich hoffe sehr, dass Sie hier nachverhandeln können. Denn wenn das nicht gelingt, dann bleiben Sie in Bezug auf die Verbraucherpolitik leider ein Schmalspurministerium. Und das können wir gemeinsam nicht wollen.

Ich habe mich gefreut, dass Sie die Mietpreisbremse angesprochen haben. Auch wir als Fraktion die Linke wollen die Mietpreisbremse. Aber dann muss es auch eine sein, die ihren Namen verdient. Bitte, verhindern wir gemeinsam, dass es sich hierbei nicht um Etikettenschwindel handelt!

Es gibt ein ganz wichtiges Thema im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher, das heute noch nicht angesprochen wurde, das ist die Deckelung der Dispozinsen. Wir, SPD, Grüne und Linke, haben in der letzten Legislatur gemeinsam dafür gekämpft. Es ist ja auch nicht sehr einleuchtend: Die verschuldeten Banken bekommen ihr Geld für 0,5 Prozent Zinsen; die verschuldeten Verbraucher bezahlen 12,5 Prozent, wenn sie im Dispo stecken. Das ist logischerweise ungerecht.
Dieses Thema hat leider keinen Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden. Das halte ich für falsch. Ich kann Sie nur auffordern: Bereiten Sie diesem wirklich unangemessenen Treiben der Banken ein Ende, und setzen Sie dem Dispo an dieser Stelle einen Deckel auf.

Ein weiterer Punkt: Wer einmal eine Verbraucherzentrale von innen gesehen hat, der weiß, dass vor allen Dingen ältere Menschen in die Verbraucherzentralen kommen, und ein ganz wichtiges Thema ist, dass ihnen am Telefon unseriöse Verträge untergeschoben wurden. Wir haben in der letzten Legislatur auch gemeinsam für die Lösung durch eine schriftliche Bestätigung gestritten. Sie hatte auch Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden, aber auf den letzten Metern wurde sie aus welchen Gründen auch immer herausgestrichen. Das finde ich sehr schade. Bitte setzen Sie sich für eine Bestätigungslösung bei Telefonverträgen ein!

Zu guter Letzt, meine Damen und Herren: In der letzten Legislatur war es fast immer so und dass das auch heute so ist, ist vielleicht kein Zufall, dass wir das Thema Verbraucherschutz im Schutze der Dunkelheit diskutiert haben. Das sagte einiges über den geringen Stellenwert aus, den die Vorgängerregierung dem Thema beigemessen hat. Ich hoffe sehr, dass wir dieses Thema gemeinsam ins Licht führen können. Die Verbraucherinnen und Verbraucher würden es uns danken.
Vielen Dank.

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Erschienen bei Westend / 160 Seiten Leseprobe

Über mich
Ich bin Bundestagsabgeordnete und Sprecherin für Mieten-, Bau- und Wohnungspolitik sowie für Clubpolitik.