Für Rechtssicherheit bei Rekommunalisierung von Energienetzen sorgen
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Es gibt inzwischen gute Beispiele, die zeigen, wie die Energieversorgung der Zukunft aussehen kann. Ich empfehle zum Beispiel eine Beschäftigung mit den Stadtwerken Wolfhagen in Nordhessen: Strom aus der Region für die Region, inzwischen zu 100 Prozent aus Erneuerbaren. - Deswegen sagen wir als Linke: Ökologisch handelnde Stadtwerke mit dezentraler Energieversorgung, so sieht für uns die Energiepolitik der Zukunft aus.
Auch dort hat es damit begonnen, dass die Energienetze zurück in kommunale Hand gekommen sind. Netze in öffentlicher Hand haben nämlich viele Vorteile: Die Strompreise können fair gestaltet werden für die Verbraucherinnen und Verbraucher, und etwaige Gewinne können für das Allgemeinwohl investiert werden und wandern eben nicht in private Taschen. Das ist der richtige Weg.
Auch für die Verbindung des Strom- und Wärmemarktes, die wir für die Energiewende dringend brauchen, ist es von großem Vorteil, wenn die Netze in einer Hand sind; denn das ist besser, als dass man gegen den Widerstand der privaten Netzbetreiber ankämpfen muss. Deswegen freue ich mich ausdrücklich darüber, dass viele Kommunen das erkannt haben, übrigens parteiübergreifend, und ihre Energienetze jetzt zurückhaben wollen.
Die Chancen dafür stünden eigentlich gut. Bis zum Jahre 2016 laufen bis zu 2 000 Netzverträge aus. Die Kommunen könnten also jetzt den Verkauf ihrer Netze an private Betreiber rückgängig machen. Aber leider machen sie häufig die Rechnung ohne den Wirt, sprich: ohne den privaten Netzbetreiber. Sie wehren sich nämlich häufig mit Händen und Füßen, weil sie das lukrative Geschäft lieber für sich behalten wollen.
Es geht dabei nicht um Einzelfälle. Eine Vielzahl von Beispielen belegt, mit welchen Tricks versucht wird, die Rekommunalisierung zu verhindern. Vattenfall hat beispielsweise hier in Berlin seine Netze - völlig überzogen - auf einen Preis von 2,5 Milliarden Euro geschätzt, um einer Rekommunalisierung möglichst viele Steine in den Weg zu legen. Auch der Energiekonzern RWE ist an dieser Stelle ungeahnt kreativ. In Wachtendonk in Nordrhein-Westfalen beispielsweise wurde damit gedroht, das Stromnetz zu kappen, falls die Gemeinde eine Netzübergabe vornimmt.
Ein paar Kilometer weiter in Wesel drohte derselbe Energiekonzern mit dem Abbau von 500 Arbeitsplätzen, wenn er die Stromkonzession nicht wiederbekommen würde. So geht es nicht, meine Damen und Herren. Wir brauchen hier endlich eine rechtliche Klarstellung.
Es gibt leider viel zu viele Beispiele dieser Art. Es kommt hinzu, dass die Privaten sehr häufig, wenn eine Rekommunalisierung ansteht, die Kommunen vor Gericht ziehen. Klar wollen die Privaten die Netze nicht zurückgeben; aber das Problem ist doch, dass die Politik genau das zulässt, weil wir eine unklare Rechtslage haben. Das müssen wir endlich ändern.
Für uns Linke hat das Recht auf kommunale Selbstverwaltung Vorrang; denn so steht es auch im Grundgesetz. Auch die kommunalen Spitzenverbände sehen es so.
Aber Schwarz-Gelb war da offenbar anderer Meinung; denn sonst hätte Schwarz-Gelb nicht im Jahr 2011 das Energiewirtschaftsgesetz so geändert, dass diese unklare Rechtslage überhaupt erst entstehen konnte. Die unklare Rechtslage schreckt die Kommunen am Ende davor ab, eine entsprechende Rekommunalisierung vorzunehmen. Der Verdacht liegt natürlich nahe, dass das Ganze vielleicht sogar abschrecken sollte, und das können wir so nicht hinnehmen.
Hinzu kommt, dass es einen Leitfaden des Bundeskartellamtes und der Bundesnetzagentur gibt, der im Ergebnis eher konzern- als kommunenfreundlich ist. Er wird vor Gericht gerne zurate gezogen. Das führt im Ergebnis dazu, dass die Kommunen verlieren. Ich habe dazu eine schriftliche Anfrage an die Regierung gestellt. Sie antwortete mir doch tatsächlich, es handele sich lediglich um eine rechtlich unverbindliche Aussage. Das sei so eine Art Hilfestellung, mit der sie selber, die Regierung, nichts zu tun habe. Da frage ich mich aber, ob das nicht im Umkehrschluss heißt, dass Sie faktisch zuschauen, wie zwei Bundesbehörden ihre eigene Politik zulasten der Kommunen machen. Das darf doch wirklich nicht wahr sein.
Offenbar ist dieses Problem SPD und CDU/CSU irgendwo bekannt; denn ansonsten wäre im Koalitionsvertrag ja nicht ein Satz enthalten, der ebenfalls vorschreibt, dass dort Rechtssicherheit herzustellen ist.
Aber auf die praktische Umsetzung warten die Kommunen, die ihre Netze zurückkaufen wollen, doch bis heute. Für viele, die jetzt vor Gericht stehen, kommt diese Novelle doch viel zu spät. Insofern sollten Sie nicht auf Ihren Koalitionsvertrag verweisen, sondern ihn hier endlich umsetzen.
Wir Linke eröffnen Ihnen jedenfalls die Chance dafür. Wir könnten diese Entscheidung heute im Bundestag treffen. Die Regierung sagt zwar auch, dass sie es umsetzen will; aber der Zeitpunkt verschiebt sich ‑ je nach dem, wann ich meine schriftliche Anfrage dazu stelle ‑ komischerweise immer weiter nach hinten. Wenn ich mir die letzte Debatte, die wir dazu hier im Plenum geführt haben, vergegenwärtige, dann habe ich, ehrlich gesagt, doch meine Zweifel, ob Sie in der Koalition sich hier überhaupt einigen werden. Herr Koeppen von der Union scheute sich nicht, die Rekommunalisierung mit der Planwirtschaft zu vergleichen. Er sagte doch tatsächlich: "Rekommunalisierungen müssen immer die Ausnahme bleiben." Da frage ich mich, ehrlich gesagt, wie Sie diese Aussage den Stadträten und den Bürgermeistern der CDU beibringen wollen, die ihre Netze ebenfalls zurück in kommunaler Hand haben wollen.
Auch von der SPD war leider Abenteuerliches zu hören. Im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz, dem ich angehöre, hieß es zum Beispiel, es wäre vielleicht auch nicht immer schlecht, wenn das in privater Hand bliebe; dann blieben die Strompreise wenigstens bezahlbar. Liebe Genossinnen und Genossen von der SPD, es ist doch wirklich ein neoliberales Märchen, dass es billiger wird, wenn die Dienstleistung von Privaten erbracht wird. Das ist ein Märchen, von dem Sie sich wirklich schnell verabschieden sollten. Das ist in der Praxis auch längst widerlegt.
Deswegen sage ich: Nicht Privatisierung ist der Weg zu mehr Verbraucherfreundlichkeit, sondern mehr Demokratie ist der richtige Weg. Der Berliner Energietisch beispielsweise hatte beim leider gescheiterten Volksbegehren einen sehr guten Vorschlag gemacht, wie mehr Demokratie für Stadtwerke aussehen könnte.
Ich bin sehr gespannt auf die Debatte, auch darauf, was die Koalition will. Ich höre nämlich Unterschiedliches in der bisherigen Debatte. Manchmal heißt es, es gehe um die Klärung der Übergabebestimmungen. Manchmal heißt es: Vielleicht muss man doch auch an die Ausschreibungskriterien heran. - Wir als Linke sagen: Was wir brauchen, ist eine Inhousevergabe, also die Direktvergabe an ein kommunales Unternehmen. Genau darum muss es uns heute gehen.
Die kommunalen Spitzenverbände fordern das auch. Der Bundestag sollte das heute so entscheiden.
Meine Damen und Herren, ich kann mir, wenn wir heute über Rekommunalisierung sprechen, zum Abschluss natürlich nicht verkneifen, auch noch einen Satz zu den geplanten Freihandelsabkommen TTIP und CETA zu sagen.
Wenn die Klauseln, die darin vorgesehen sind, so durchkommen, dann kann ein einmal privatisiertes Unternehmen nie wieder rekommunalisiert werden - ganz egal, was wir im Bundestag entscheiden.
Das ist einer von vielen Gründen, warum wir als Linke sagen: TTIP muss gestoppt werden.
Meine Damen und Herren, ich hoffe, dass Sie heute dem Antrag der Linken zustimmen können; denn die nächste Chance für die Rekommunalisierung ergibt sich erst wieder in 20 Jahren, wenn die Netzkonzessionen auslaufen. Wir können nicht länger warten. Lassen Sie uns heute gemeinsam grünes Licht für die Rekommunalisierung geben!
Vielen Dank