"Mietpreisbremse" der Koalition hilft Mietern nicht

20.02.2014
Caren Lay, DIE LINKE: "Mietpreisbremse" der Koalition hilft Mietern nicht

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Werfen Sie mit mir gemeinsam einen Blick auf den deutschen Wohnungsmarkt: Wer ein Studium in Heidelberg aufnimmt, der darf sich auf eine saftige Kaltmiete von etwa 10 Euro pro Quadratmeter gefasst machen. Eine Rentnerin, die im Prenzlauer Berg wohnt und dort vielleicht auch ihren Lebensabend verbringen will, weil sie seit 50 Jahren in ihrem Kiez zu Hause ist, muss damit rechnen, bei der nächsten Modernisierung vor die Tür gesetzt zu werden. Eine junge Familie in der Dresdner Neustadt muss damit zurechtkommen, dass ihre Miete in wenigen Jahren um 30 Prozent gestiegen ist. Verdrängung, Gentrifizierung und Mietenexplosion auf der einen Seite, Spekulation mit Wohnraum und hohe Renditen aufseiten der Vermieter auf der anderen Seite, das ist die Situation auf dem deutschen Wohnungsmarkt. Hier muss dringend etwas passieren.

Meine Damen und Herren, es wäre die erste gute Tat dieses neu gewählten Bundestages, wenn wir gemeinsam festhalten könnten, dass die Vorgängerregierung komplett versagt hat, als es darum ging, die Mieterinnen und Mieter vor einer Mietenexplosion zu schützen, und dass wir hier gemeinsam etwas auf den Weg bringen müssen.

Union und FDP haben doch tatenlos zugesehen! Sie haben zugelassen, dass die Zahl der Sozialwohnungen in zehn Jahren um ein Drittel zurückgegangen ist. Sie haben die Privatisierung öffentlicher Wohnungen nicht nur nicht gestoppt, sondern sie auch selber mit betrieben; noch im letzten Jahr wurden 11 000 Wohnungen, die im Besitz des Bundes waren, ohne Not an eine Heuschrecke verkauft. Sie haben zugelassen, dass der deutsche Wohnungsmarkt zu einem Eldorado für die internationale Spekulantenszene geworden ist. Die CDU/CSU zuckt da mit den Achseln und sagt: So ist sie eben, die Marktwirtschaft. - Das Gegenteil ist der Fall: Sie haben die Rechte der Mieterinnen und Mieter weiter reduziert, und zwar im Rahmen des sogenannten Mietrechtsänderungsgesetzes.
Deswegen sagen wir als Linke ganz klar: Die oberste Pflicht muss es jetzt sein, dafür zu sorgen, dass Wohnen in Deutschland bezahlbar bleibt auch und gerade für Menschen mit geringem Einkommen.

Wir haben als Linke heute ein ganzes Maßnahmenpaket vorgelegt. Eine ganz wichtige Forderung ist die Forderung nach einer Mietpreisbremse. Eine andere Forderung betrifft einen Neustart im sozialen Wohnungsbau; meine Kollegin Frau Bluhm wird gleich näher darauf eingehen.
Aber zurück zur Mietpreisbremse: Ich freue mich, dass die Idee einer Mietpreisbremse im Wahlkampf eine Rolle gespielt hat, dass dieser Begriff verwendet wurde und dass es im Koalitionsvertrag Aussagen dazu gibt. Mit Blick auf die Vorstellungen der Koalition verdient die Mietpreisbremse jedoch ihren Namen nicht.

Die Koalition will nämlich, dass die Mieten bei Wiedervermietung nicht stärker als um 10 Prozent steigen, gemessen an der örtlichen Vergleichsmiete. Wir fragen uns: Warum soll die Miete bei einer Wiedervermietung überhaupt steigen, wenn an der Wohnqualität überhaupt nichts verbessert wurde?

Das ist doch völlig unlogisch: Frau A. wohnt in einer Wohnung, für die sie 500 Euro Miete zahlt. Wenn jetzt Frau B. in diese Wohnung einzieht, soll sie 550 Euro bezahlen. Warum soll das so sein? Das kann mir wirklich niemand erklären.
Kommen wir zum zweiten Pferdefuß: Diese „Mietpreisbremse“ soll auch nur für fünf Jahre gelten und auch nur dann, wenn die Länder bereit sind, sie umzusetzen. Da stellen sich zwei Fragen: Was passiert nach diesen fünf Jahren? Und, viel wichtiger: Was passiert eigentlich, wenn die unionsregierten Länder sagen: „Nein, wir setzen das nicht um, wir wollen in unseren Ländern keine Mietpreisbremse haben“? Meine Damen und Herren, das macht wirklich keinen Sinn. Sie delegieren hier die Verantwortung an die Länder und wollen Ihre Hände in Unschuld waschen. Das verdient den Namen „Mietpreisbremse“ nun wirklich nicht.

Mit einer solchen „Mietpreisbremse“ kann man die Mieten genauso bremsen, wie man einen Lkw mit einer Fahrradbremse bremsen kann.
Wir als Linke schlagen etwas rigidere Regeln vor, die die Mieterinnen und Mieter schützen.

Wir sagen: Erstens. Mieterhöhungen nur aufgrund von Wiedervermietung darf es überhaupt nicht mehr geben; dafür gibt es nun wirklich keinen Grund. Zweitens. Wenn die Miete erhöht wird, soll sie nur im Rahmen des Inflationsausgleiches steigen dürfen. Das wäre der erste Schritt dahin, dass Wohnen in Deutschland bezahlbar bleibt.
Meine Damen und Herren, ich freue mich, dass unsere Forderung, bei Maklerverträgen ein Bestellerprinzip einzuführen, jetzt von der Koalition aufgegriffen wird.

Anders macht das wirklich keinen Sinn. Wer beispielsweise in Berlin eine Wohnung sucht, der muss erst einmal mindestens anderthalb Kaltmieten an den Makler zahlen, selbst wenn der Vermieter ihn bestellt hat. Da frage ich Sie: Welcher Rentner, welche Studentin kann sich das denn überhaupt leisten? Das muss endlich geändert werden.

Meine Damen und Herren, in der Mietenpolitik muss etwas passieren. Wir fordern eine echte Mietpreisbremse und einen Neustart im sozialen Wohnungsbau. Wir wollen die Spekulation mit Wohnraum eindämmen. Die Privatisierung von öffentlichem Wohnraum muss endlich ein Ende haben.

Die Mietenpolitik ist eine der größten sozialen Herausforderungen der nächsten vier Jahre. Wir als Linke werden hier Druck machen; das darf ich Ihnen versprechen.
Vielen Dank.

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Die Wohnungsfrage ist die soziale Frage unserer Zeit. Doch statt sie anzugehen, werden Fehlentwicklungen systematisch politisch gefördert. Wohnungen sind zu reinen Spekulationsobjekten verkommen. Hohe Nachfrage und sogenannte Zwangssanierungen lassen die Mieten explodieren und zwar nicht nur in den Großstädten, sondern auch im Umland. Menschen werden aus jahrzentelang gewachsenen, sozialen Strukturen gerissen, gentrifzierte Viertel zu Soziotopen der Besserverdienenden. Wie konnte es soweit kommen? Warum unternimmt die Politik so wenig, um Mietenwahnsinn und Spekulation endlich zu stoppen? Und was muss getan werden, damit Wohnen endlich wieder bezahlbar wird? Caren Lay nimmt die deutsche Wohnungspolitik der letzten 20 Jahre schonungslos unter die Lupe, zeigt auf, wie und warum Deutschland zum Eldorado für Wohnungsspekulation werde konnte, und liefert provokante Ideen für eine soziale Wohnungspolitik, die wir so dringend brauchen.

Erschienen bei Westend / 160 Seiten Leseprobe

Über mich
Ich bin Bundestagsabgeordnete und Sprecherin für Mieten-, Bau- und Wohnungspolitik sowie für Clubpolitik.