Diese Mietpreisbremse verdient ihren Namen nicht

13.11.2014
Caren Lay, DIE LINKE: Diese Mietpreisbremse verdient ihren Namen nicht

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Herr Minister, Sie haben Ihren Gesetzentwurf heute eingebracht mit dem Begriff der Mietpreisbremse. Das ist ein schillernder Begriff, der Hoffnungen bei den Zuhörerinnen und Zuhörern weckt, die Ihr Gesetzentwurf aber leider nicht erfüllen kann.

Wir als Linke haben lange eine Mietpreisbremse gefordert. Wir fordern sie noch immer. Aber gut gemeint ist noch lange nicht gut gemacht. Bevor zu viele Mieterinnen und Mieter denken, dass sie von dem Gesetzentwurf der Großen Koalition profitieren werden, möchte ich auf die Bedingungen und Ausnahmen eingehen, die aus meiner Sicht der Pferdefuß des vorliegenden Gesetzentwurfs sind.

Sie haben es selber gesagt: Die Umsetzung liegt bei den Ländern. Aber es ist nicht nur so, dass die Länder fünf Jahre Zeit haben, das umzusetzen. Vielmehr haben die Länder die Wahl, ob sie es überhaupt umsetzen wollen. Das heißt, wenn man Pech hat und in einem Bundesland lebt, dessen Landesregierung nicht gewillt ist, die Mietpreisbremse umzusetzen, dann hat man gar nichts davon.

Es muss weiterhin definiert werden, wann ein sogenannter angespannter Wohnungsmarkt vorliegt. Über die Kriterien wurde bereits im Bundesrat diskutiert. Darüber wird in der Anhörung sicherlich weiter diskutiert werden. Sie binden also das Inkrafttreten der Mietpreisbremse an einen angespannten Wohnungsmarkt.

Sie regulieren überhaupt nicht die bestehenden Mietverhältnisse. Da gilt die Gesetzeslage aus der letzten Legislaturperiode wie bisher. Man hat nur dann das Glück, von der Mietpreisbremse zu profitieren, wenn man umzieht. Wie gesagt, das soll auch nur für fünf Jahre gelten.

Das ist angesichts der rasanten Mietenexplosion in den letzten Jahren völlig lächerlich.

Ich will auf die Ausnahmen eingehen, beispielsweise auf die Staffelmieten, die im Gesetzentwurf ausgenommen sind, oder auf die Ausnahmen beim Neubau; das haben Sie selber gesagt. Im Endeffekt ist die Gruppe, die von Ihrem Gesetz profitieren wird, ziemlich klein. Deswegen sagen wir als Linke: Diese Mietpreisbremse verdient ihren Namen nicht.

Sie haben im Vorblatt Ihres Gesetzentwurfs selber ausgerechnet, dass die Mieterinnen und Mieter in Höhe von 280 Millionen Euro im Jahr ‑ ich vermute, dass das hochgerechnet wurde ‑ von Ihren Wohltaten profitieren. Das ist besser als nichts; das sagen wir als Linke ganz klar. Aber wir sagen auch: Das steht in gar keinem Verhältnis zu den Milliardenrenditen und -gewinnen, die die Immobilienlobby und die Immobilienspekulanten in den letzten Jahren eingefahren haben.

Ich möchte auf die sehr umstrittene Änderung eingehen, die Sie in der Sommerpause auf Druck der Immobilienlobby und der Union vorgenommen haben, nämlich die Neubauten komplett aus dem Gesetzentwurf herauszunehmen. Das Problem ist nicht, dass es Wohnungen für Mieter mit mehr Geld gibt, die dann auch eine höhere Miete zahlen können. Das ist nicht das zentrale Problem. Das eigentliche Problem ist, dass durch die Dynamik des Mietspiegels auch die Miete der Oma nebenan perspektivisch ansteigen wird. Deswegen sagen wir als Linke: Das ist ein völlig unnötiges Einknicken vor der Immobilienlobby gewesen. Wir lehnen das ab.

Hier wird gerne ein Gespenst an die Wand gemalt und behauptet: Dann wird nicht mehr gebaut, und man müsse bauen, bauen, bauen. - Das haben wir bislang von der Union gehört. Das werden wir sicherlich heute noch ein paar Mal hören. Ich halte das für ein Gespenst. Es ist festzustellen, dass bereits mehr gebaut wird. Der Vizepräsident eines Immobilienverbandes sagt nach wie vor, dass das Geschäft boomt. Jedem Kapitalanleger wird geraten: Wenn du die schnelle Mark machen willst, dann investiere in Rohstoffe in Madagaskar oder in Mietwohnungen in Berlin. ‑ Hier so zu tun, als würde nicht gebaut, ist völlig falsch. Wenn man einen Schritt auf die Straße macht, dann sieht man, dass hier überall gebaut wird. Aber in der Regel werden Lofthouses und Townhouses gebaut. Solche Neubauten meinen wir als Linke nicht.

Wenn Sie für Neubau sind und Ihre Forderung ernst meinen, dann müssen Sie aus meiner Sicht mehr in den sozialen Wohnungsbau investieren. Hier waschen Sie Ihre Hände angeblich in Unschuld und schieben die Verantwortung auf die Länder.

Wir brauchen einen Neustart im sozialen Wohnungsbau. Das ist noch immer die beste Mietpreisbremse.

Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn:

Frau Lay, darf die Kollegin Winkelmeier-Becker eine Zwischenfrage stellen?

Caren Lay (DIE LINKE):

Ja, selbstverständlich.

Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn:

Bitte, Frau Winkelmeier-Becker.

Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU):

Frau Kollegin, ich habe eine Frage, weil Sie den Zusammenhang zwischen der Mietpreisbremse und den Lofthouses und Townhouses, die jetzt gebaut werden, herstellen. Das sei nicht die Bautätigkeit, die Sie sich vorstellen. Inwiefern würden Sie einen Zusammenhang zwischen einer Mietpreisbremse und einem verstärkten Bau einfacher Wohnungen herstellen? Würde das denn dazu führen, dass mehr Wohnungen von der Art gebaut werden, wie Sie sie sich wünschen?

Caren Lay (DIE LINKE):

Da haben Sie mich falsch verstanden. Ich habe gesagt: Wenn wir mehr Mietwohnungen im hochpreisigen Segment bauen - es geht um den Neubau von Mietwohnungen -, dann führt die Dynamik des Mietspiegels dazu, dass die Mieten insgesamt steigen werden. Denn der Mietspiegel steigt ja.

Wenn Sie dem einen Riegel vorschieben wollen, dann müssen Sie die Dynamik und die Berechnungsweise des Mietspiegels berücksichtigen. Nur das wäre wirkungsvoll.

Ich habe zweitens gesagt, dass wir in der Tat einen Neustart im sozialen Wohnungsbau brauchen. Dazu hätten Sie die Möglichkeit. Hier nur zu sagen: „Wir haben das an die Länder gegeben“, ist aus meiner Sicht nicht zielführend. Wir müssen endlich mehr Haushaltsmittel in die Hand nehmen. Dazu haben Sie bei den Haushaltsverhandlungen in der übernächsten Woche die Chance.

Meine Damen und Herren, ich möchte zu einem nächsten großen Pferdefuß kommen: Das ist aus meiner Sicht der Deckel in Höhe von 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete, den Sie vorschlagen. Das hört sich erst einmal ganz vernünftig an. Aber schauen wir uns an, was das in der Praxis bedeutet.

Eine vierköpfige Familie hat vielleicht einen alten Mietvertrag und zahlt für die Wohnung in einer einfachen Wohnlage in Berlin - weiß ich nicht - vielleicht noch 480 Euro. Irgendwann wird der Gesetzentwurf der Bundesregierung umgesetzt. Ortsübliche Vergleichsmiete plus 10 Prozent kann dann bedeuten, dass der Nachmieter locker 680 Euro oder 700 Euro zahlen würde. Das verdient doch wirklich nicht den Namen einer wirkungsvollen Bremse.

Deswegen sagen wir auch ganz klar: Der Maßstab kann nicht die ortsübliche Vergleichsmiete sein, erst recht nicht, wenn man die Berechnungsweise des Mietspiegels nicht ändert, was Sie mit Ihrem Gesetzentwurf nicht tun. Wir sagen: Wir wollen an der Vorgängermiete anknüpfen. Ich verstehe ehrlich gesagt gar nicht, warum der Nachmieter mehr bezahlen soll als der Vormieter, wenn an der Wohnung überhaupt kein Pinselstrich getan wurde. Das ist einfach nur ungerecht.

Auch die Bestandsmieten müssen wir aus meiner Sicht neu regeln. Das, was in der Vergangenheit dazu geändert wurde, ist aus meiner Sicht nicht zielführend. Wir als Linke haben vorgeschlagen, man soll sich am Inflationsausgleich orientieren. Es hieß, dass wir mit unserem Vorschlag zu einer Mieterhöhung beitragen würden. Ich habe es extra nachgerechnet. Nach der gegenwärtigen Gesetzeslage können Sie die Miete in drei Jahren um 15 Prozent erhöhen, nach unserem Vorschlag wären es gerade einmal 4,5 Prozent in den letzten drei Jahren gewesen. Das spricht wirklich für den Linkenantrag.

Ich möchte zuletzt darauf eingehen, was in dem Gesetzentwurf alles nicht geregelt ist. Ein ganz großes Problem ist, dass gerade die Modernisierung in ihrer jetzigen Form dazu beiträgt, dass Mieterinnen und Mieter aus ihren angestammten Kiezen vertrieben werden. Sie alle haben die Fälle gelesen, die in den letzten Wochen und Monaten durch die Presse gegangen sind. Da war der 69-jährige Rentner aus Düsseldorf, der nach 50 Jahren seine Wohnung verlassen sollte. Das hat das Gericht so entschieden. Hoch und runter diskutiert wurde das Beispiel aus Berlin-Prenzlauer Berg in der Kopenhagener Straße, wo nach einer energetischen Sanierung plötzlich das Dreifache der vorherigen Miete verlangt wurde. Deswegen sagen wir als Linke ganz klar: Wenn man es mit einer Mietpreisbremse wirklich ernst meint, dann müssen wir an die Modernisierungsumlage heran. Wir wollen sie von derzeit 11 Prozent auf 5 Prozent reduzieren.

Bei aller Kritik gibt es zwei Dinge, die ich befürworte. Das eine ist, dass im aktuellen Entwurf der Wucherparagraf wieder aufgenommen worden ist. Das finden wir gut. Es hat viel Kritik von der Linken und auch von den Mieterverbänden daran gegeben, dass er gestrichen wurde. Er ist jetzt wieder hereingekommen. Wir müssen allerdings auch sagen: In der jetzigen Form ist er leider ziemlich wirkungslos. Wir müssen ihn also verändern, nämlich dahin gehend, dass die Beweislast nicht weiterhin beim Mieter liegt. Sonst kann man damit nicht ganz so viel anfangen.

Ein letzter Punkt. Das Bestellerprinzip bei Maklerverträgen war längst überfällig. Ich finde, dass auf dem Wohnungsmarkt das Gleiche wie in jeder Kneipe gelten sollte: Wer bestellt, bezahlt. Ich freue mich, dass auf diesem Wege endlich eine langjährige Forderung der Linken umgesetzt wird.

Vielen Dank.

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Die Wohnungsfrage ist die soziale Frage unserer Zeit. Doch statt sie anzugehen, werden Fehlentwicklungen systematisch politisch gefördert. Wohnungen sind zu reinen Spekulationsobjekten verkommen. Hohe Nachfrage und sogenannte Zwangssanierungen lassen die Mieten explodieren und zwar nicht nur in den Großstädten, sondern auch im Umland. Menschen werden aus jahrzentelang gewachsenen, sozialen Strukturen gerissen, gentrifzierte Viertel zu Soziotopen der Besserverdienenden. Wie konnte es soweit kommen? Warum unternimmt die Politik so wenig, um Mietenwahnsinn und Spekulation endlich zu stoppen? Und was muss getan werden, damit Wohnen endlich wieder bezahlbar wird? Caren Lay nimmt die deutsche Wohnungspolitik der letzten 20 Jahre schonungslos unter die Lupe, zeigt auf, wie und warum Deutschland zum Eldorado für Wohnungsspekulation werde konnte, und liefert provokante Ideen für eine soziale Wohnungspolitik, die wir so dringend brauchen.

Erschienen bei Westend / 160 Seiten Leseprobe

Über mich
Ich bin Bundestagsabgeordnete und Sprecherin für Mieten-, Bau- und Wohnungspolitik sowie für Clubpolitik.